Ganz knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt – Der Tag des Großbrandes in Ludwigshafen

Die gigantische Rauchwand aus schwarzen Wolken und meterhohen Flammen

Der Tag in Ludwigshafen begann mit blauem Himmel und Sonnenschein. Die Temperaturen waren angenehm. Die Menschen in der Stadt freuten sich auf einen schönen Samstag Nachmittag. Doch dieser Tag sollte ganz anders verlaufen und viele Menschen betreffen. Zumindest wird er noch lange in Erinnerung bleiben.

Es beginnt um ca. 12:00 Uhr. Anwohner vernehmen im Bereich Lagerhausstrasse einen lauten Knall. Manche sprechen vor Ort von einer Explosion. Keiner realisiert zunächst, was gerade 150m an der Lagerhalle vor sich ging. Dichter schwarzer Rauch steigt auf – von den Meisten allerdings noch unbemerkt.

Ca. 90 Minuten später hörten wir laute Knalleffekte, wie von einem Maschinengewehr. Das Ganze dauerte ungefähr 3-4 Minuten, dann kam der ohrenbetäubende Lärm wie von einer riesigen Turbine, sagte einer der Anwohner.

13:30 Uhr

Die Rauchsäule ist kilometerweit am Himmel zu sehen. Aus allen Richtungen sehen die Menschen, dass im Bereich Ludwigshafen/ Mannheim etwas Schlimmes passiert ist. Die ersten Vermutungen via Facebook/Twitter schiessen wild ins Kraut. Von Explosion bei der BASF bis hin zu die BASF ist in die Luft geflogen, wird hemmungslos spekuliert.

Wir sind durch Zufall in der Nähe unterwegs und ändern umgehend unseren Plan. Die Rauchwolke verheisst nichts Gutes. Noch bevor offizielle Meldungen in der Redaktion eintrafen, erreichen wir das Viertel vor dem Polizeipräsidium um ca. 14:00 Uhr. Es herrscht ein unglaubliches Durcheinander. Schaulustige blockieren die Zufahrt Richtung Kreuzung Wittelsbachstrasse / Mundenheimerstrasse. Wir stellen unser Auto ab und gehen den Rest zu Fuss.

Vorbei am Polizeipräsidium und Amtsgericht treffen wir um 14:10 Uhr an der Brückenzufahrt Parkinsel ein. Überall Sirenen, Blaulicht, Absperrungen und hunderte Schaulustige, die immer wieder versuchen über die Polizeiabsperrungen zur Brücke zu gelangen.

Und dann war da noch der ohrenbetäubende Lärm, wie von vielen Turbinen. Ein vernünftiges Interview war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Kommunikation mit der Polizei nur etwas für Stimmgewaltige.

Von der Brücke aus sehen wir das gigantische Ausmass des Brandes und spüren wegen des starken Windes die Hitze der Flammenwand. Kaum 100 Meter weiter kämpfen Feuerwehrmänner gegen die meterhohen Flammen und den beissenden Rauch.

Zu diesem Zeitpunkt steht noch nicht fest, ob der Rauch giftige Substanzen enthält. Um so unverständlicher die Haltung vieler Gaffer, die sich hemmungslos in die Windrichtung der Rauchwolke stellen. Ein Freizeitvergnügen der etwas anderen Art.

Als wir die riesige schwarze Wand vor uns sehen, ist uns klar, wenn der Wind dreht sind wir sofort weg. Hätte der Rauch giftige Substanzen enthalten, dann wäre die gesamte Stadt ganz schnell zum Katastrophengebiet geworden. Zum Glück gab es Abends die finale Entwarnung. Das steht jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.

15:00 Uhr

Die Flammen werden vom starken Wind angefacht und der Kampf um den Grossmarkt beginnt. Der Markt grenzt unmittelbar an die Lagehalle an und ein Übergreifen der Flammen ist möglich. Es trafen immer mehr Feuerwehren ein.

15:30 Uhr

Feuerwehrkräfte beginnen mit einer Zusatzpumpe Wasser aus dem Rhein zu ziehen um den Markt zu retten. Die Flammenhölle ist voll entfacht und die schwarze Wand erstreckt sich über die gesamte Länge der Lagerhalle.

16:00 Uhr

Ein Turbolöscher mit seiner unglaublichen Power trifft ein. Jetzt ist die Brücke komplett mit Feuerwehren besetzt. Gegenüber an der Wand des Großmarktes kämpfen die Feuerwehrmänner einen verzweifelten Kampf gegen die Flammen. Alle Schläuche die einsetzbar sind, richten die Männer gegen die Wand. Von allen Seiten. Kurz danach taucht der erste Helikopter am Himmel auf. So will sich die Leitstelle einen Überblick verschaffen.

Die schwarze Rauchwolke ragt nun weit sichtbar für alle in den Himmel. Radiodurchsagen warnen die Menschen in Nähe des Brandes immer wieder die Fenster und Türen geschlossen zu halten.

16:10 Uhr

Es herrscht immer noch Durcheinander. Informationen kommen nur spärlich. Ein Ansprechpartner für die Presse ist nicht zu sehen. Kollegen laufen fragend zwischen den Leuten hin und her um Infos zu bekommen. Ein Ereignis dieser Größenordnung und Niemand, der Auskunft geben kann. Dies allein zeigt die Wucht mit der die Behörden überrascht wurden. Gegen 18 Uhr wird dann eine Pressekonferenz angesetzt. Informationen vor Ort: Fehlanzeige.

Um 16:15 Uhr

Es trifft schweres Gerät vom THW Ortsverband Ludwigshafen an ein. Ein LKW und ein Radlader. Längst ist allen die Dimension dieses Unglückes klar.

16:20 Uhr

Der Wind dreht langsam in Richtung Brücke. Damit ergibt sich ein neues Szenario. Wenn der Wind seine Richtung weiter ändert, sind nicht nur wir auf der Brücke in Gefahr, sondern auch die Innenstadt um die Walzmühle und den Berliner Platz. Es ist immer noch nicht klar, ob die Wolke giftige Anteile enthält.

16:25 Uhr

Die Journalisten verlassen bis auf Einen, die Brücke. Sensationsbilder hin oder her. Das ist kein Bild der Welt wert. Wir verlassen ebenfalls die Brücke. Der Bereich ist bereits in einen leicht durchsichtigen, schwarzen Nebel gehüllt. Die Suppe will Niemand freiwillig einatmen.

16:30 Uhr

Es tröpfelt leicht von oben. Wenn es jetzt noch regnet, dann hilft nur noch Wegrennen – hoffentlich. Kleine schwarze Tröpfchen sammeln sich auf der Haut. Wir bringen uns in Sicherheit.

16:35 Uhr

Ein ungewohnter Anblick in Ludwigshafen. Die vor Ort eingesetzten Beamten setzen ihre Gasmasken auf und fordern die Menschen auf den Bereich zu verlassen.  Doch Gift? Die Lage ist weiterhin völlig diffus.

17:00 Uhr

Die Absperrung wird erweitert. Nun kommt keiner der Gaffer mehr über die Lagerhausstrasse. Alle müssen auf der Seite des Polizeipräsidiums stehen bleiben. Wir laufen zurück Richtung Kreuzung Wittelsbachstrasse/Mundenheimerstrasse und beobachten wie die Wolke weiter über die Innenstadt zieht.

Wir erreichen unser Auto und fahren zunächst einmal zurück zur Redaktion. Akkus wechseln, Daten sichern, Luft holen, gründlich duschen und reinigen (Zur Sicherheit).

19:00 Uhr

Wir treffen ein zweites Mal an der Unglücksstelle ein. Die Absperrung verhindert, dass die Gaffer die Lagerhausstrasse betreten können. Dennoch versuchen immer wieder ein paar Witzbolde damit ihre Scherze zu machen und die Beamten zu provozieren. Im Grunde lautet die Ordnungswidrigkeit: Mißachten von Signalen und Zeichen. Ein Ordnungsgeld ist möglich. Die Beamten tragen die Situation mehr oder weniger gefasst.

Der Turbolöscher, den die Feuerwehrleute direkt auf den Hauptbrandherd gerichtet hatten, zeigt Wirkung. Die Rauchwolke lässt nach. Es sieht nach Erfolg aus. Auch der Großmarkt ist nicht mehr in Gefahr. Die Männer sind nun seit 7 Stunden in der Hitze im Einsatz.

19:30 Uhr

Wir stehen direkt am Rhein. Wir haben uneingeschränkten Blick zur Unfallstelle. Es ist nun klar zu erkennen, dass die stundenlange Schufterei der Wehren vor Ort Früchte getragen hat.

Wir schauen auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Ludwigshafen. Diese werden zusätzlich zur Strassensicherung eingesetzt. Merkwürdig: Uns fällt auf, dass die Männer und Frauen lediglich über Mundschutz verfügen. Sicherheitspersonal zweiter Klasse fragen wir uns?

Die Polizeibeamten vor Ort verfügen über Gasmasken und die eingesetzten Kräfte des Ordnungsamtes Ludwigshafen müssen sich mit einem Mundschutz in der Gefahrenzone aufhalten? Mit einem Kopfschütteln verlassen wir die Lagerhausstrasse. Das ist unverständlich und darf so nicht sein.

In einer ernsten Bedrohungslage mit Gift aus der Luft kann so keine Sicherheit für die Bürger gewährleistet werden. Wenn die Ordnungskräfte selbst um ihr Leben kämpfen müssen. Ein seltsamer Zustand.

20:00 Uhr

Wir verlassen den gesamten Bereich. Nun steht für uns fest, dass der Kampf gewonnen wird. Die Rauchwolke ist nun deutlich kleiner. Sie hat viel von ihrer Bedrohlichkeit verloren. Wir sind zurück am Auto und sehen eine immer kleiner werdende Rauchsäule.

Ein Bürger spricht uns an mit der Bitte ihn zu zitieren:

Normalerweise haben wir keine Möglichkeit uns bei allen eingesetzten Feuerwehrmännern- und Frauen und den gesamten Rettungskräften zu bedanken. Bitte schreiben dies ausdrücklich in ihren Artikel hinein. Viele Menschen in Ludwigshafen sind sehr dankbar. Die Stadt hat wohl heute sehr großes Glück gehabt.

Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen.