Anny Hartmann erklärt die Welt beim Kabarettfestival denke.schön

Anny Hartmann aus Köln tischte aus ihrem mit der “St. Ingberter Pfanne” preisgekrönten Programm auf

Kabarett, Kulturfenster, Kirchstraße – die einst einprägsame Formel für Freunde feinster Wortspiele und bitterböser Granteleien gilt so nicht mehr. Die HebelHalle muss nun her, um das wachsende Interesse an intelligentem kabarettistischem Schauspiel in Heidelberg zu befriedigen, und schuld daran sind die stets mephistophelisch einladenden Programme des Kulturfensters mit Kabarettathleten jeder Couleur. Zur Eröffnung des denke.schön-Herbstfestivals mit Anny Hartmann kamen denn auch 140 Zuschauer – ein Drittel mehr als normalerweise in die Kirchstraße.

Wie kann man Hartmanns persönlichen Stil skizzieren? Versuchen wir es so: Stellen Sie sich vor, Sie wären ungefähr 18 Monate ohne jeglichen Mediengenuss komplett von der Außenwelt abgeschnitten gewesen und führen – wieder in der Zivilisation angekommen – mit einem Regionalzug von Heidelberg nach Köln. Dort träfen Sie dann auf die eloquente Anny Hartmann, die ihnen gern die politisch-gesellschaftliche Entwicklung der letzten Zeit analysierend zusammenfassen würde. Spätestens beim Übergang auf die linke Rheinseite wären Sie kolumnenartig über die Arbeit der Ministerinnen von der Leyen und Schröder informiert: „Herdprämie? Sowas ist ja nicht einmal der NPD eingefallen.“ Bei Mainz wäre Ihnen klar, wie sich die Sozialstruktur geändert hat: „Was den Mittelstand noch von Hartz IV-Empfängern trennt? 15 Monate!“ Entlang der Mosel erlebten Sie Hartmanns Politikentmystifizierung („Dass es in der Politik nicht mehr um den Menschen geht, ist klar – es geht nur noch um die Kostenstelle“).

Nahe der Lorelei erführen Sie viel über die Motivation von Dominik Strauss-Kahn („Der dachte, IWF heißt: `Ich will f…..´“), zur Causa Wulff („Was der gemacht hat, ist Pillepalle. Da gibt es ganz ganz andere Schweinereien in der Politik, aber die Leute lieben nun mal Pillepalle“) und zur NSU-Mordserie: „Der Verfassungsschutz hat auch eine Döner-Bude aufgemacht, um zu schauen, ob sie nicht erschossen werden.“ Zwischen Bonn und Köln würde Hartmann schließlich auf Geschlechtsgenossinnen herfallen, die sich im Rahmen von schönheitsschirurgischen Eingriffen am Beispiel des „Mami-Refresh“-Pakets zu Bauchdeckenstraffungen und Vaginalkanalverengungen entschieden. Und in Köln angekommen, nähme Sie Hartmann in ihrer Heimatstadt dann zum Abschied herzlich in den Arm und versicherte Ihnen schließlich, dass es doch alles so schlimm nicht bestellt sei. Und da stünden Sie nun: auf dem Bahngleis zwischen Verwirrung und Erheiterung …

Anny Hartmann, gerade ausgezeichnet mit dem Kabarettpreis der „St. Ingberter Pfanne“ („Das ist prima für die Küche“), kam beim Publikum gut an – und das nicht nur, weil sie kluge Einwürfe des Publikums mit Schokolade belohnte. Und vielen Zuschauern gefiel auch die HebelHalle als größere Location für zünftiges Live-Kabarett: „Das Industriedesign der Halle passt prima dazu.“