Edward Elgars Oratorium „The Kingdom“ am 29. September im Dom zu Speyer

Edward Elgar (1857 - 1934)

Zu einem außergewöhnlichen Kooperationsprojekt haben sich die Domchöre von Speyer, Rottenburg und Trier zusammengeschlossen. Gemeinsam werden sie „The Kingdom“ (Das Reich Gottes) von Edward Elgar zur Aufführung bringen. Das 1906 uraufgeführte Oratorium des großen englischen Spätromantikers, der von 1857 bis 1934 gelebt hat, ist in Deutschland bisher nahezu unbekannt geblieben. Es wird in den Domen von Speyer (29. September), Rottenburg (30. September) und Trier (3. Oktober) erklingen.

Das Thema des Werkes wird in den ersten gesungenen Worten umrissen mit einem Zitat aus der Bergpredigt: „Seek first the Kingdom of God“ – Suchet zuerst das Reich Gottes. Edward Elgar, der sich aus bescheidenen Verhältnissen in der englischen Provinz emporgearbeitet hatte, war besessen von der Idee, in Form eines Oratoriums die Geschichte der frühen Kirche zu erzählen. Die Themen Inspiration, Berufung und Sendung beschäftigten ihn lebenslang. Er wollte ein Werk schaffen, das man den biblischen Oratorien von Bach, Händel und Mendelssohn an die Seite stellen konnte, und dabei mit den ersten vier Kapiteln der Apostelgeschichte einen Stoff bearbeiten, den in seiner Gesamtheit bis dahin noch niemand vertont hatte.

Das biblische Oratorium hatte in England eine starke Tradition. In den durch die industrielle Revolution rasch angewachsenen und reich gewordenen Großstädten manifestierten sich bürgerlicher Stolz und Selbstbewusstsein in großen Choraufführungen. Wie der „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy (1846), ist auch „The Kingdom“ von Edward Elgar (1906) für das traditionsreiche Chorfest von Birmingham entstanden. Das überwiegend anglikanische Publikum konnte sich mit den biblischen Erzählungen und vor allem mit dem auserwählten Volk identifizieren. Bekanntlich hatte das berühmte „Halleluja“ aus Händels „Messiah“ nichts, wie noch heute manchmal aus Gedankenlosigkeit zu hören, mit dem Osterfest zu tun, sehr wohl aber wusste man die Worte „The Kingdom of our Lord“ mit dem englischen Königshaus in Verbindung zu setzen. „The Kingdom“, dieser Begriff schlägt einen Bogen über zwei Jahrhunderte von Georg Friedrich Händel zu Edward Elgar.

Diesem wird bald klar gewesen sein, dass sich sein Plan, biblische Geschichte, von der Berufung der Apostel über die Himmelfahrt und das Pfingstgeschehen bis zum Aufblühen der frühen Kirche zu erzählen, nicht in einem einzigen Werk bewältigen ließ. Elgar plante daher, in Anlehnung an Richard Wagners „Ring“-Tetralogie, eine Oratorientriologie. Die Uraufführung des ersten Werkes „The Apostels“ 1903 geriet zur Sensation, dieser Zuspruch steigerte sich noch am 2. Oktober 1906 bei der Uraufführung von „The Kingdom“. Das geplante dritte Oratorium „The last Judgement“ (Das Jüngste Gericht) blieb unausgeführt.

„The Kingdom“, Elgars op. 51, rechnet mit vier Solostimmen, einem sehr groß besetzten Orchester und einem bis zur Achtstimmigkeit aufgefächerten Chor in entsprechender Stärke. Anders als in biblischen Oratorien von Händel oder Mendelssohn ist der ungeheure Stoff nicht in einzelne Nummern aufgegliedert, sondern in fünf szenischen Blöcken fortlaufend durchkomponiert. Eindrücke aus Bayreuth schlugen sich in Elgars Oratorium nieder. Wie in Wagners „Ring“-Dramen durchzieht ein dichtes Geflecht aus Leitmotiven das Werk. Das Orchester soll den „Boden unendlichen, allgemeinen Gefühls“ (Wagner) abgeben. Man hat gegen hundert Leitmotive identifiziert. Zu den Quellen der Elgar’schen Inspiration gehört dabei auch ein Zitat aus dem gregorianischen Choral. Wenn am Ende des Vorspiels und am Schluss des Werkes die Antiphon „O sacrum convivium“ anklingt, ist dies ein Hinweis darauf, dass in der das Abendmahl feiernden Gemeinde das Reich Gottes bereits zeichenhaft Gestalt angenommen hat. Das Oratorium schließt mit einer eindrucksvollen Vertonung des Vater unser, in dem es ja heißt „Thy kingdom come“ – dein Reich komme. Die Zuhörer werden einbezogen in eine Art „oratorische Gemeinde“, das Werk endet in gottesdienstlichem Charakter.

Die Gedankenfülle und Tiefe des Ausdrucks „The Kingdom“ machen bewusst, dass Edward Elgar weit mehr war als der Komponist gehobener Unterhaltungsmusik vom Typ „Salout d’amour“. Dass ein brillanter Militärmarsch, das unverwüstliche „Pomp and Circumstance“ aus dem Jahre 1901, zu einem musikalischen Symbol des Landes, ja zur inoffiziellen zweiten Nationalhymne Englands werden konnte, macht deutlich, über welche Ausdrucksbreite der 1904 von König Eduard VII. in den Adelsstand erhobene Komponist verfügte. Das Andenken an Sir Edward Elgar ist tief im britischen Nationalbewusstsein verankert. In Westminster Abbey erinnert ein Gedenkstein in der Nähe der Grabstätten von Purcell, Händel und Britten an ihn. Andreas Schröder.

Hinweis:
Oratorium „The Kingdom“ von Edward Elgar im Dom zu Speyer: Samstag, 29. September, 19 Uhr. Domchöre Speyer, Rottenburg, Trier, Solisten, Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.
Leitung: Domkapellmeister Markus Melchiori, Frank Leenen, Stephan Rommelspacher. – Karten: Rheinpfalz Ticket Service-Hotline 0180 5003417 oder Onlinebuchung: www.rheinpfalz.de – Einführungsvortrag mit Professor Andreas Schröder um 17 Uhr im Friedrich-Spee-Haus (Eintritt frei).