Wieder Tabakanbau ab 2013 in Lorsch

Tabakscheune gefüllt - einstmals gab es reiche Ernte

In Lorsch tut sich was … Auf den Spuren der Stadtgeschichte pirscht seit längerem das 2011 neu eingerichtete Kultur- und Tourismus-Amt – nicht nur wegen des bevorstehenden Stadtjubiläums. Themen wie sie für Lorsch spezifisch sind werden ausgegraben und neu belebt. So auch das Thema Tabak. Denn dreihundert Jahre lang war Lorsch geprägt vom Tabakanbau und von der Zigarrenherstellung.

Die Pflanze, deren Samen so fein ist, dass man ihn selbst im gequollenen Zustand noch mit Grieß oder Sand vermischen muss, um ihn überhaupt säen zu können, wächst innerhalb eines knappen halben Jahres auf Übermannsgröße und steigert damit ihr Gewicht um das 24.000.000-Fache! Sie bestimmte mit ihrem Wachstum einst maßgeblich den Rhythmus und viele der dörflichen Rituale in Lorsch.

Altes Wissen – neu belebt
Seit Ende der 1980er Jahre wird in Lorsch kein Tabak mehr angebaut, die Tabakverwertung erlosch schon 1983. Doch beides steht beispielgebend für ein Stück Agrargeschichte wie für die Industrialisierung. Ein Stück von all dem soll wieder lebendig und nachvollziehbar werden. Denn 2013 wird es wieder ein Tabakfeld in Lorsch geben. Und interessierte Bürgerinnen und Bürger sollen sich beteiligen können. Im Klosterfeld gelegen, direkt vor der einzig noch verbliebenen Tabakscheune und längs der geplanten Kulturachse, wird unter Federführung des KULTour-Amtes und mit der sachkundigen Hilfe von zwei Projektleitern wieder Geudertheimer Tabak, der traditionelle Zigarrentabak, angebaut.

Mit Bernhard Stroick und Thomas Schumacher konnten zwei „Tabakbegeisterte“ gewonnen werden. Beides übrigens überzeugte Nichtraucher! Und um den Tabak als Droge geht es hier auch zu allerletzt. Wer aber Lust dazu hat, Tabakpflanzer oder Tabakpflanzerin für ein Jahr zu werden, kann den Wachstumszyklus dieser Ausnahmepflanze und damit alle Pflanz-, Pflege,- und Erntevorgänge miterleben. Die Arbeiten sollen möglichst händisch verrichtet werden, das Anbaufeld ist mit 800 m2 dabei überschaubar. „Wir fangen klein an“, so Thomas Schumacher, „wollen einfach mal sehen, wie wir zurecht kommen.“ Der angehende Forstwirtschaftsstudent hegt die Liebe zum Tabak aus seiner Familiengeschichte heraus: Der Großvater war Tabakbauer. Bernhard Stroick hingegen näherte sich der amerikanischen Importpflanze über die museale Schiene: Seit Jahren ist er der Tabakexperte des Heimat- und Kulturvereins und betreut damit Deutschlands größtes Tabakmuseum im Lorscher MUZ.

Heimat – mal ganz anders!
Nachdem in ganz Südhessen der Tabakanbau zum Erliegen kam, möchte Lorsch gerne wieder an diese prägende Tradition anknüpfen. „Für uns ist das wichtigste das soziale Erleben bei einer sehr erdverbundenen, einfachen und traditionellen Tätigkeit“, so KULTour-Amtsleiterin Gabi Dewald. „Dass Leute wieder gemeinsam auf ein Feld gehen, um es zu beackern und zu ernten. Diese Erfahrung einen Sommer lang zu machen, die Stadt und ihre Geschichte mal von einer ganz anderen Seite und vielleicht auch mal ganz andere Leute kennen zu lernen, sich einem anderen Rhythmus anzugleichen – das wird damit möglich.“ Und natürlich, einiges an Wissen zu erlangen. Dass es keine Schinderei gibt, dafür sorgt das überschaubare Ausmaß des Feldes und dass schwere Arbeiten wie etwa die Bodenvorbereitungen von Maschinen übernommen werden. Interessant wird die Handarbeit, wenn es um die Pflege der Pflanzen geht und natürlich um das Einbringen der Tabakblätter.

Um die fünfzehn Termine wird es für die freiwilligen Tabakbauern 2013 zwischen April und November geben, alle liegen an Samstagen. Dabei handelt es sich zumeist um zwei bis vier Stunden Arbeitseinsätze. Nur an etwa zwei bis drei Samstagen (bei der Tabakernte) wird man den ganze Tag einplanen müssen.

Willkommen sind natürlich Leute mit (landwirtschaftlichen) Vorkenntnissen. Aber auch Laien und auch beispielsweise Eltern-Kinder-Tandems sind jederzeit willkommen. Am Kerwe-Wochenende wird es (in Höhe des katholischen Pfarrhauses) einen Informationsstand und eine Anmeldemöglichkeit zum Tabakprojekt der Stadt Lorsch geben.