Von „Faust“ bis „Metropolis“: Orgelimprovisationen von Bezirkskantor Torsten Wille

Bezirkskantor Torsten Wille

Das Motto-Jahr der Luther-Dekade, „Musik und Kirche“, hat seine Halbzeit überschritten – Anlass genug, nochmals einige Facetten aufleuchten zu lassen. So erweckt beispielsweise in Ludwigshafen Bezirkskantor Torsten Wille Stummfilmklassiker zu neuem Leben. „Premiere“ war der Deutsche Evangelische Kirchentag 2011 in Dresden. Dort eroberte die ungewöhnliche „Liaison“ zwischen Stummfilm und konzertanter Orgelimprovisation mit drei Aufführungen das Publikum. Damals flimmerte in der Kirche St. Martin der Stummfilm „Faust“ über die Großleinwand, begleitet von Torsten Willes virtuosem Orgelspiel.

Kino dergestalt in die Kirche zu holen, hat in Ludwigshafen schon Tradition. Seit Wille 2004 sein Amt als Kantor an der protestantischen Friedenskirche antrat, macht sich immer im Frühjahr und im Herbst eine stattliche Gemeinde von Cineasten auf den Weg, die musikalischen Dramatisierungen der „sprachlosen“ Schwarzweiß-Kunstwerke live zu erleben. Auch in der langen Nacht der Museen genießt die Friedenskirche mit diesem Angebot mittlerweile Popularität.

„Die Streifen sollen thematisch im kirchlichen Rahmen zu verankern sein, sich mit moralischen, ethischen Inhalten und Grundfragen menschlichen Daseins beschäftigen“, sagt Wille. So wie beispielsweise der Klassiker „Faust“ von 1926 des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau, bei dem es unter anderem um Schuld und Vergebung geht. Die Orgel sei als Kompagnon des Bildgeschehens geradezu ideal, erklärt der Kantor. „Mit ihrem differenzierten Klangreichtum lassen sich alle Ebenen des dramatischen Geschehens subtil ausleuchten.“

Zunächst einmal mussten in der Friedenskirche die technischen Voraussetzungen bereitgestellt werden: Großleinwand, Beamer und Monitor. Die Investition habe sich gelohnt, sagt Wille. „Die Resonanz ist auch nach acht Jahren ungebrochen. Wir erreichen mit diesem Angebot auch kirchenferne Menschen, die das besondere Erlebnis des Filmabends auch für andere kirchliche Bereiche öffnet.“ Im Publikum seien alle Generationen vertreten.

Torsten Wille konzentriert sich ganz auf den Dialog mit den Bildern. „Natürlich studiere ich jede Szene vorab genau, erstelle mir ein Script und versuche, die atmosphärische Grundierung festzulegen“, beschreibt er. Die Klangfarbe sei ein tragendes Element. „Ob ich klassischen Prinzipien huldige, die Charaktere mit Leitmotiven ausstatte, serielle Klänge zitiere oder auch mal auf Popversionen anspiele, hängt indes vom szenischen Ablauf und dem Einfall des Moments ab.“

Gestartet ist die Reihe 2004 mit Fritz Langs „Metropolis“, aber Torsten Wille, der schon während des Studiums in Köln Dramaturgie-Projekte mitgestaltet hat, stöbert auch in der Raritätenkiste, wie mit dem amerikanischen Monumentalfilm „Intolerance“. Dann gab es noch Paul Wegeners 1920 gedrehten Streifen „Golem, und wie er in die Welt kam“ oder auch Friedrich Murnaus „Tartuffe“.

Hinweis: Am 16. November, 19 Uhr, wird in der Ludwigshafener Friedenskirche „Der Glöckner von Notre Dame“ von 1923 gezeigt, begleitet von Torsten Wille an der Orgel.