Erstes interdisziplinäres Treffen „Kirche und Kunst“ im Bistum Speyer

img-137917-Kuenstlertag2012.jpg

An den Wänden des Kaisersaales die in den Dom zurückgekehrten Schraudolph-Fresken aus dem 19. Jahrhundert, dazu ungewohnte sphärische Klänge, dargeboten von Burkhard Weber (Bad Dürkheim) auf dem elektronischen Cello: Es war ein besonderer Rahmen, den das Bistum Speyer für das erste interdisziplinäre Treffen „Kirche und Kunst – Speyerer Dialog 2012“ gewählt hatte. Rund 40 Künstlerinnen und Künstler aus der Region waren der Einladung von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann gefolgt, um sich am Samstag über das nicht immer spannungsfreie Verhältnis von Kirche und Kunst auszutauschen.

Dass gerade Spannungen fruchtbar sein können, betonte Bischof Wiesemann gleich in seiner Begrüßung. Seiner Meinung nach stehen Kirche und Kunst schon von ihrem Ursprung her in einer tiefen Verbindung, haben gemeinsame Wurzeln. Beiden sei aufgetragen, die grundlegenden Fragen des Lebens aufzuwerfen und Räume zu eröffnen, „die zeigen, wozu der Mensch berufen ist“. Wiesemann sagte, der Glaube brauche die Kunst. „Er will ausdrücken, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist und schöpferisches Potential hat.“ Der Mensch sei zur Freiheit berufen und dazu, die Grenzen über das Irdische hinaus zu überschreiten. Der Bischof erhofft sich, dass der Auftaktbegegnung weitere Gespräche folgen werden, die alle Bereiche der Kunst einbeziehen.

In der anschließenden Diskussion äußerten die Künstler mit Nachdruck ihr Interesse, ihre Werke in den Raum der Kirche einzubringen, ohne zu großen Einschränkungen unterworfen zu werden. „Wir freuen uns darüber, dass wir einen Bischof haben, der Interesse für die Kunst zeigt. Jetzt bitten wir um Ihr Vertrauen“, so eine der Künstlerinnen. Andere Künstler hoben hervor, dass die Verkündigung durch die Kunst befruchtet werden könne. Bischof Wiesemann griff die Anliegen auf, plädierte aber für einen geistlichen Austausch, um in einer Situation der „Gottesverdunstung“ mit künstlerischen Mitteln neue Zugänge zur Transzendenz zu schaffen. Mario Colletto, stellvertretender Dombaumeister und Hauptorganisator des Treffens, regte für die Zukunft einen Dialog darüber an, wie die Freiheit der Künstler mit den Vorstellungen der kirchlichen Auftraggeber in eine fruchtbare Auseinandersetzung gebracht werden könne. Während der Begegnung im Kaisersaal konnten sich die Kunstschaffenden auch anhand ausgelegter Werkmappen Einblick in Projekte ihrer Kolleginnen und Kollegen verschaffen.

Nach einem Vespergottesdienst mit dem Bischof, den der Eichstätter Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Christian Heiß im Dom musikalisch gestaltete, sprach Professor Hans Gercke, ehemaliger Direktor des Heidelberger Kunstvereins, im Friedrich-Spee-Haus. Sein Thema: „Freiheit in der Kunst durch Bindung“. In seinem mit differenzierten kunsthistorischen Rückverweisen und Wertungen verknüpften Vortrag hob auch er hervor, dass die Kirche die Kunst brauche. Jahrhundertelang sei in der christlichen Welt Kunst ohne Kirche, ohne Religion, ohne Christentum völlig undenkbar gewesen. Sicher habe die Kunst dabei in Diensten der Religion gestanden, „aber darüber hinaus war und ist sie, wie jede echte Kunst, in ihrem Kern etwas letztlich Religiöses, Spirituelles, ein Versuch, etwas auszusagen, was mit Worten nicht sagbar ist“. In diesem weiten Sinn sei jedes Kunstwerk religiös. Hieraus ergeben sich nach Auffassung Gerckes viel zu wenig genutzte und sehr interessante pastorale, in vielfacher Hinsicht den Horizont erweiternde und beide Seiten bereichernde Möglichkeiten.

Der Referent ging auch auf das Problem des Qualitätsverfalls in der zeitgenössischen Kirchenkunst ein. „Jeden kunstinteressierten und als solchen auch einigermaßen kompetenten Menschen muss es schmerzen, wenn er den Qualitätsabfall beobachtet, der im 19. und 20. Jahrhundert und auch heute noch – von Ausnahmen abgesehen, die es gottlob gibt – die Ausstattung von Kirchen heimgesucht hat und dies mit den Maßstäben vergleicht, die frühere Jahrhunderte gesetzt haben, in denen die Spitzenwerke der Kunst natürlich ‚christliche’ Kunst waren.“ Die Kirche habe nicht nur ein unschätzbares Erbe zu verwalten, sondern sie sollte sich diesem Erbe auch würdig erweisen, appellierte Gercke. Natürlich sei auch heute gute Kunst möglich. „Nicht nur im kirchlichen, sondern ganz generell im öffentlichen Raum erfordert sie aber den kulturell gebildeten, dabei von sach- und fachkundigen Beratern umgebenen Auftraggeber.“