Reichsprogromnacht. Gedenkfeier, DIF, Dürsch
Der Posaunenchor der evangelischen Versöhnungskirche (Foto: Stadtverwaltung Ingelheim)

Ingelheim – Trotz strömenden Regens kamen sehr viele Bürger an den Synagogenplatz in Ober-Ingelheim, um an der jährlichen Gedenkfeier zur Reichsprogromnacht zum 9. November teilzunehmen.

Vor 78 Jahren wurden in ganz Deutschland und auch in Ingelheim Synagogen angezündet, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört und jüdische Mitbürger misshandelt. Klaus Dürsch vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis griff sich traditionell das Schicksal einer jüdischen Ingelheimer Familie heraus und beschrieb es: die Familie Hirsch aus Ober-Ingelheim hatte seit über 200 Jahren in der Stadt gelebt und betrieb einen Futtermittelhandel in der Stiegelgasse. Der SPD Gemeinderat, Schöffe und Weltkriegsteilnehmer Josef Hirsch wurde nun plötzlich gemieden, sein Geschäft geschlossen. Er und seine Familie konnten nach Argentinien fliehen, ein großes Glück, wie Klaus Dürsch meinte, denn nicht überall waren Flüchtlinge willkommen.

Reichsprogromnacht. Gedenkfeier, DIF, Dürsch
Hans-Georg Meyer und Klaus Dürsch (rechts) Foto: Stadtverwaltung Ingelheim

Oberbürgermeister Ralf Claus mahnte in seiner Rede, aus der Geschichte zu lernen und nicht wegzuschauen wie damals. Flüchtende benötigten unsere Unterstützung, so dass sie ohne Angst hier leben könnten.

Hans-Georg Meyer, der Ehrenvorsitzende des Deutsch-Israelischen Freundeskreises trug einen leidenschaftlichen Appell vor, die Demokratie zu schützen, sich nicht von Volksverhetzern oder „Schreihälsen“ bei Aufmärschen einlullen zu lassen und immer an dem rechtsstaatlichen Gedanken zu arbeiten. Demokratie und Rechtsstaat müssten täglich neu erkämpft werden, sie seien keine Selbstverständlichkeit. Er plädiert für neue Vorbilder in der Gesellschaft. Politiker, Justiz, Polizei und Medien sollten solche Vorbilder werden, um die Gesellschaft neu zu stärken.

Ein anschauliches Bild zeichnete Pfarrer Peter Fleckenstein von der Versöhnungskirche mit dem Gleichnis von den Brüdern Kain und Abel, das er in die heutige Zeit transportierte. Dieser aus der Bibel bekannte Konflikt hätte vermieden werden können, wenn Kain mit Abel geredet hätte, anstatt mit Gewalt eine Lösung herbeizuführen.

Unterstützt wurde die Feierstunde musikalisch vom Posaunenchor der evangelischen Versöhnungskirche.