Mainz: MCV-Motivwagen mit satirischen Seitenhieben

Überlebensgroß karikierte Kunstwerke

Mainz – Unter dem Motto „De Dom gehört zu Meenz am Rhoi, wie Fassenacht, Weck, Worscht und Woi“ startet am Rosenmontag 2017 der 115. närrische Zug seit Gründung des Mainzer Carneval-Vereins 1838 e.V. durch die Straßen der Stadt. An der Josefsstraße Ecke Boppstraße macht sich der vierfarbbunte Lindwurm traditionell um 11:11 Uhr auf seine rund sieben Kilometer lange Strecke mit insgesamt 154 Zugnummern, begleitet von rund 9.500 Teilnehmern und erwarteten 500.000 Zuschauern entlang der Strecke.

Einer der Höhepunkte und Markenzeichen des Mainzer Rosenmontagszugs sind die Motivwagen, die alljährlich herrlich humorvoll mit satirischen Seitenhieben gespickt Ereignisse und Persönlichkeiten auf die närrische Schippe nehmen. In diesem Jahr ziehen insgesamt 13 Motivwagen ihre überlebensgroß karikierten Kunstwerke durch die Gassen.

Mainzer Carneval-Verein 1838 e.V.
Mainzer Carneval-Verein 1838 e.V. Foto: MCV/Thomas Gottfried.

Selbstverständlich darf Donald Trump als „Elefant im Porzellanladen“ nicht fehlen, genauso wenig wie der türkische Machthaber Erdogan, der mit einem Rasenmäher Menschrechte, Meinungs- und Pressefreiheit einfach niedermäht. Einen satirischen Seitenhieb bekommt Großbritannien ab, das nach dem „Brexit“ in einem Schlauchboot auf hoher See herumtreibt. Karikiert wird auch Harald Strutz, der als Mainz 05-Präsident vermeintlich ehrenamtlich tätig ist, gleichzeitig saftige Beraterhonorare kassiert und zudem seit 29 Jahren an seinem Thron klebt. Selbst CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner schafft es, dank zwielichtiger Spenden um Ex-Spion Mauss, in einer Mausefalle auf einen Motivwagen.

Auch Franz Beckenbauers Geldwäsche-Skandal um die WM 2006 durfte im Rahmen der „rollenden Satire 2017“ natürlich nicht fehlen. „Willkommen in Amazonien“ wiederum versteht sich als närrischer Appell nicht nur im Internet zu shoppen, sondern auch den Einzelhandel vor Ort zu unterstützen.

Aufgespießt werden AFD und rechts-nationale Gruppierungen, die den Wutzwergen-Aufstand wagen und dumpfe Parolen skandieren.

Närrisch betrachtet werden Deutsche Banken, die als „Arme Schlucker“ staatlich subventioniert werden und den Begriff Bedürftigkeit neu definieren.
Dass die Renten sicher sind, mag manch einer glauben, die Frage ist nur, wann der wohlverdiente Ruhestand beginnt, denn die „Vision 2040“ lautet „Rente mit 90“ und der Motivwagen zeigt die sichtbaren Konsequenzen.

Für Schlagzeilen sorgen immer wieder milliardenschwere Konzerne, die dank legaler Schlupflöcher kaum noch Steuern zahlen müssen und auch der Wagen mit dem Titel „Äppelution“ zeigt, dass wir uns evolutionär – zumindest von der Körperhaltung betrachtet – wieder zurück entwickeln. Schließlich zielt der Motivwagen „Sp(r)itzensport“ auf fragwürdige olympische Leistungen ab, die offenbar nur noch per Doping zu erzielen sind, immerhin:

„Wenn jeder gedopt ist, dann siegt auch immer der Beste“.

Vorgestellt werden die Motivwagen traditionell am Dienstag vor Fastnacht, wobei die vom MCV gebauten Motivwagen seit Anbeginn ein ganz wesentlicher Aspekt des Mainzer Rosenmontagszuges sind. Gebaut werden sie seit 55 Jahren vom MCV-Wagenbauer Dieter Wenger, der dieses Jahr 77 Jahre alt wurde, und seinem Team. Die Motivwagen glossieren sowohl innerstädtische oder regionale wie auch bundes- oder weltpolitische Themen. Mit der Planung und dem Bau der Motivwagen wird bereits im Herbst des jeweiligen Vorjahres angefangen. Alle Motivwagen werden am Fastnachtssonntag in der Innenstadt auf der Ludwigsstraße im Rahmen der Veranstaltung „Tanz auf der Lu“ aufgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert.

Über die Motivwagen im Rosenmontagszug entscheidet die Zugleitung des MCV. Jedes Jahr stimmt sie in einer Sitzung über die Ideen und Entwürfe ab, mit denen die aktuelle Politik karikiert werden soll. Ist die endgültige Entscheidung gefallen, werden die Plastiken in der Wagenhalle des MCV in Mombach gebaut und die passenden Verse geschmiedet. Früher wurden die Figuren aus Maschendraht geformt, mit Rupfen bezogen, eingegipst und bemalt. 1967 kam erstmals Styropor zum Einsatz. Heute werden die Figuren der Motivwagen mit der Säge aus Styroporblöcken herausgeschnitten. Die Feinarbeit erfolgt mit dem „heißen“ Draht und elektrischen Schlingen. Polierwerkzeuge geben den letzten Schliff, bevor die Figuren farbig gestaltet werden. Die Entwürfe und Zeichnungen für die Motivwagen stammen heute aus der Feder des Grafikers Peter Beckhaus. Veranstalter der Mainzer Straßenfastnacht ist der Mainzer Carneval-Verein 1838 e.V., MCV.