Lorsch: Ausstellung „Begraben und Vergessen? Knochen erzählen Geschichte“

Gesichtsrekonstruktion eines circa 35–40 Jahre alten Mönchs aus dem Kloster Lorsch, der zwischen 888 und 966 n. Chr. gelebt hat. (Quelle: UNESCO Welterbe Kloster Lorsch)
Gesichtsrekonstruktion eines circa 35–40 Jahre alten Mönchs aus dem Kloster Lorsch, der zwischen 888 und 966 n. Chr. gelebt hat. (Quelle: UNESCO Welterbe Kloster Lorsch)

Lorsch – Vom 19. März bis 14. Mai 2017 zeigt das UNESCO Weltkulturerbe Kloster Lorsch im Schaudepot Zehntscheune die Sonderausstellung „Begraben und Vergessen? Knochen erzählen Geschichte“.

Die Ausstellung nimmt auf der Grundlage aktueller archäologisch-anthropologischer Untersuchungen erstmals die Menschen des Klosters in den Blick, die vom frühen bis zum späten Mittelalter in der bedeutenden Reichsabtei Karls des Großen lebten, arbeiteten und dort begraben wurden. Höhepunkt der Schau ist die 3D-Gesichtsrekonstruktion eines Lorscher Mönchs aus der Hochphase des Klosters um 900. Damit wird für die Besucher zum ersten Mal eine visuelle und virtuelle Begegnung mit einem Menschen aus dem frühen Mittelalter möglich, der vor rund 1100 Jahren im Kloster Lorsch gelebt und vielleicht die Erbauung der weltberühmten Torhalle erlebt hat.

Im Rahmen eines umfangreichen vom UNESCO Welterbe Kloster Lorsch in Kooperation mit den Reiss-Engelhorn-Museen (rem) mit dem Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie gGmbH (CEZA) in Mannheim durchgeführten Forschungsprojekts konnten bislang rund 110 menschliche Individuen naturwissenschaftlich-anthropologisch untersucht werden, deren Skelettreste im Verlauf der letzten 120 Jahre bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Klosterareal geborgen wurden. Die menschlichen Überreste stammen aus vier unterschiedlichen Bereichen des Klosters: dem sogenannten „Mönchsfriedhof“ nördlich der ehemaligen Nazarius-Basilika, aus dem Kircheninneren, wo Äbte und Adelige ihre die letzte Ruhe fanden, aus Grablegen rund um die Königshalle mit gemischten Bestattungen von Männern, Frauen und Kindern und aus dem sogenannten „Spitalfriedhof“ nördlich der Zehntscheune.

Die Wissenschaftler erhoffen sich im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojektes durch die systematische, teils aufwendigen Untersuchungen aller freigelegten menschlichen Knochenfunde genauere Erkenntnisse über die körperlichen Leiden und die Lebensumstände der mittelalterlichen Menschen im Kloster: Wie alt wurden die Bewohner der Abtei? An welchen Krankheiten litten sie? Welche Spuren von Verletzungen und Arbeitsbelastungen finden sich? Aus welchen Regionen kamen die Menschen nach Lorsch? Was aßen sie? Wie sahen die Menschen aus?

Karl Weber, Direktor der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, würdigt die Ausstellung und die Zusammenarbeit mit den Mannheimer Institutionen „als einen Meilenstein“ in der Forschungsgeschichte des Klosters. „Für die erste, jetzt abgeschlossene Projektphase konnten wir bereits wichtige Erkenntnisse gewinnen, die wir nun erstmals in der Ausstellung präsentieren können“, erklärt Claus Kropp, einer der Projektleiter und Leiter des Freilichtlabors Lauresham. „So zeigen sich etwa häufig Abnutzungen an den Gelenkflächen, vor allem im Bereich der Wirbelsäule und im Lendenwirbelbereich, die altersbedingt sind, aber auch auf eine starke körperliche Betätigung der Klosterbewohner schließen lassen. Der benediktinische Grundsatz ‚bete und arbeite‘ lässt sich damit auch an den Knochen der Mönche ablesen. Wir konnten aber auch feststellen“, so Kropp weiter, „dass die Menschen, trotz aller körperlichen Leiden, zu allen Zeiten gut versorgt und ernährt waren, da wir keine erheblichen Mangelerscheinungen nachweisen konnten.“

Nicht so eng sah man es im Kloster offenbar mit der Mundhygiene: Gerade bei Personen über 40 Jahren zeigt sich häufig erheblicher Zahnverlust, meist infolge von Karies und Entzündungen. Massiv ist nach Auskunft der Wissenschaftler die Zahnsteinbildung, die letztlich zu Zahnfleischentzündungen und damit schon früh zum Ausfall der Zähne geführt hat.

„Dem Kloster ein Gesicht verliehen…“

Die aufwändigen naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Computeranimationen, die in der Ausstellung anschaulich präsentiert werden, wurden von den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und der Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH durchgeführt und erstellt. Hierzu zählt auch die aufwendige 3D-Gesichtsrekonstruktion eines in Lorsch begrabenen Mönchs aus der späten Karolingerzeit. „Wir sind sehr stolz, dass wir mit dieser Rekonstruktion dem Kloster Lorsch erstmals wieder ein Gesicht verleihen konnten“, freut sich Dr. Wilfried Rosendahl, ebenfalls Projektleiter und Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen und rem gGmbH. Das Aussehen des ca. 35-40 Jahre alten Mönchs konnte dank des gut erhaltenen Schädels und einer aDNA Analyse rekonstruiert werden. Nach Auskunft der C14-Datierung hat er zwischen 888 und 966 im Kloster Lorsch gelebt.  Auch Dr. Hermann Schefers, Leiter der UNESCO Welterbestätte Kloster Lorsch, ist begeistert von der Gesichtsrekonstruktion: „Sie bringt uns den einzelnen Menschen näher und ermöglicht dem Besucher eine direkte Begegnung mit einem Mönch aus der Karolingerzeit. Aber dies ist erst der Anfang. Wir hoffen, in den nächsten Jahren zusammen mit den Reiss-Engelhorn Museen und dem Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie noch viele weitere wichtige Erkenntnisse über die Menschen im Kloster Lorsch gewinnen zu können“, so Schefers weiter.

Infobox:

Die Ausstellung „Begraben und Vergessen? Knochen erzählen Geschichte“ ist vom 19. März bis 14. Mai im Schaudepot Zehntscheune des UNESCO Welterbe Kloster Lorsch zu sehen. Eintrittspreis 3 €, ermäßigt 2 € pro Person. Ein reich bebilderter Begleitband zur Schau ist für 5 € erhältlich. Zur Ausstellung werden Führungen und ein spezielles Kinderprogramm angeboten.

Weitere Informationen: www.kloster-lorsch.de