Gegen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Angelsportvereins Kandel

Nachbarschaftsklage erfolgreich

Nachbarklage gegen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Angelsportvereins Kandel erfolgreich

Kandel / Neustadt an der Weinstraße – Die Baugenehmigung, die der Landkreis Germersheim dem Angelsportverein Kandel für einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ erteilt hat, verletzt eine Anwohnerin in ihren Rechten. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße im Anschluss an die heutige mündliche Verhandlung verkündet.

Die Klägerin ist Inhaberin einer Eigentumswohnung in der Ortslage von Kandel. Der beigeladene Angelsportverein Kandel betreibt auf dem westlich angrenzenden Nachbargrundstück im Außenbereich ein Vereinsgelände. Auf dem im Landschaftsschutzgebiet „Bienwald“ gelegenen Grundstück befindet sich auch ein  Gewässer.

In den Jahren 1997 und 2002 hatte der Beklagte dem Beigeladenen Baugenehmigungen für die Aufstellung von Gerätecontainern und eines WC erteilt. In der Folgezeit nutzte der Beigeladene die baulichen Anlagen als Schankwirtschaft. Unter der Überdachung vor dem Gebäude waren feste Sitzgarnituren installiert. Im November 2010 stellte der Beigeladene beim Beklagten einen neuen Bauantrag zwecks Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Clubheim mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m². Nach Durchführung eines Gesprächs zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen änderte dieser seinen Bauantrag auf Anregung des Beklagten ab auf Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Aufenthaltsraum für Clubmitglieder.

Im März 2012 kam es wegen der fortwährenden Beschwerden der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen vor dem Schiedsamt des Bezirks Kandel zu einer der Schlichtungsverhandlung, die aber ohne Ergebnis blieb. Im Rahmen des Gesprächs monierte die Klägerin insbesondere die regelmäßig mittwochs von 20.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr stattfindende Veranstaltung, bei der sich ca. 25 – 30 Personen träfen, um gemeinsam zu singen. Die geringe Entfernung zu ihrem Wohnanwesen bedinge eine aus ihrer Sicht nicht unerhebliche Ruhestörung. Im Mai 2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten, dem Beigeladenen die Nutzung der Gerätecontainer als Gaststätte und die Nutzung des Geländes als Biergarten zu untersagen. Die  Belästigungen gingen nicht von aktiven Anglern sondern von Personen aus, die das Gelände des Beigeladenen ausschließlich aus geselligen Gründen aufsuchten. Es fänden mehrmals pro Woche zusätzliche Öffnungstage statt, Partys bis früh morgens, Biergartenbetrieb bis nach Mitternacht sowie Gesänge bei offenen Fenstern mit applaudierenden Gästen im Freien.

Am 4. Februar 2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des Gerätecontainers in einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. In den Nebenbestimmungen führte der der Beklagte u.a. aus, die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen sei nicht Bestandteil der zulässigen geänderten Nutzung als Aufenthaltsraum.

Gegen die Baugenehmigung legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens schilderte eine weitere Bewohnerin der Wohnungseigentumsanlage, dass sich der  Biergartenbetrieb des Beigeladenen 2014 im Vergleich zu den Vorjahren intensiviert habe. Es bildeten sich neue Treffpunkte, auch weit nach 22 Uhr. Eine Gesangsgruppe mit ca. 30 Personen incl. Akkordeonbegleitung treffe sich jeden Mittwoch von 19:30 bis 21:30 Uhr. Es werde auch im Freien gesungen. Die überdachte Terrasse von ca. 85 qm reiche nicht für alle Gäste der Singstunde.

Die Klägerin hat im Mai 2015 Klage erhoben, der die 4. Kammer des Gerichts nun mit folgender Begründung stattgegeben hat:

Die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 stelle nicht hinreichend sicher, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße.  Die im Außenbereich von Kandel stattfindende genehmigte Nutzung sei nicht im Außenbereich privilegiert. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) dürfe das Gebäude zur Nutzung als  „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ nur zugelassen werden, wenn es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht beeinträchtige. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liege u.a. vor, wenn das Vorhaben gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße.

Maßgebend sei hier, dass der Beklagte in Kenntnis der seit Jahren bestehenden Konflikte zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in der Baugenehmigung keine hinreichenden Vorkehrungen dafür getroffen habe, dass von dem genehmigten „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen keine unzumutbaren Belästigungen für das Anwesen der Klägerin ausgingen. Die vom Beklagten in die Baugenehmigung aufgenommenen Nebenbestimmungen seien unzureichend. Zwar seien Nebenbestimmungen im Grundsatz geeignet, die Nachbarrechte zu sichern, wenn die Anlage bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden könne, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten. Bei der Abfassung von Nebenbestimmungen sei auch zu  berücksichtigen, dass die Nutzung eines Vorhabens schwerer zu überwachen sei als die bauliche Ausgestaltung.

Dies stelle die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 jedoch nicht hinreichend sicher. Der Beklagte  klammere aus, dass die Fläche unter der Überdachung schon bisher mit Knochensteinen versiegelt und mit festen Sitzgarnituren ausgestattet gewesen sei und bei lebensnaher Betrachtungsweise in Zukunft auch ohne die per Grüneintrag in den Bauunterlagen gestrichene Überdachung von den Vereinsmitgliedern weitergenutzt werde. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort, die zur Stellung des Bauantrags des Beigeladenen und dessen Änderung im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens von „Clubheim“ in „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ geführt hätten, sowie der Vorgeschichte des jahrelangen Konflikts zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, in der Baugenehmigung dezidierte Vorgaben für die Nutzung des Gebäudes und der Fläche vor dem Gebäude, die weiterhin über fest installierte Sitzgarnituren verfüge, zu machen, damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeschlossen werden könne.

Die genehmigte Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ lasse für den Beigeladenen aber eine Vielzahl von immissionsträchtigen Nutzungsmöglichkeiten offen. Die Vereinsmitglieder dürften sich sieben Tage die Woche zeitlich ohne Einschränkung in dem Gebäude und zwar auch zum Feiern aufhalten. Das Singen, das in der Vergangenheit häufig Anlass für die Nachbarbeschwerden gewesen sei, sei nach wie vor zulässig. Der aus 210 Mitgliedern bestehende Vereine könne jederzeit auch nicht öffentliche Versammlungen, Skatabende, Geburtstagsfeiern von Vereinsmitgliedern etc. abhalten. Den genehmigten Bauplänen – darin sei eine Theke sowie eine Küchenzeile eingezeichnet – könne auch zweifelsfrei entnommen werden, dass es in dem „Aufenthaltsraum“ primär um die Bewirtung der Vereinsmitglieder und deren geselliges Zusammensein gehe.

Es fänden sich in der Baugenehmigung weder Nutzungszeitenbeschränkungen noch ausreichende Vorkehrungen dafür, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch tatsächlich zum Schutz der Nachbarschaft eingehalten würden. Die Baugenehmigung „kranke“ auch daran, dass sie keine  kontrollierbare Verpflichtung enthalte, die Türen und Fenster des Aufenthaltsraums ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten und die Freifläche davor nicht zu nutzen. Da die Baugenehmigung keine Vorkehrungen gegen ein jederzeit mögliches Öffnen der Türen und Fenster enthalte und auch sonst keine effektiven Kontrollmechanismen vorsehe, werde die Überwachung letztlich den betroffenen Nachbarn überantwortet, womit ständige Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert seien. Damit könne die Verletzung des Rücksichtnahmegebots der Klägerin gegenüber nicht ausgeschlossen werden.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragt werden.

Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW –