Frankfurt: 20 Jahre „Kirche für Arbeit“ in der Frankfurter Stadtkirche

Frankfurt am Main – Der Anspruch war groß, damals vor 20 Jahren, als das Projekt „Arbeitsplätze schaffen mit Phantasie“ in der Frankfurter Stadtkirche aus der Taufe gehoben wurde: Handeln, nicht nur reden! war die Maxime. Angeregt vom „Sozialwort der Kirchen“ 1997 und erschrocken über die hohe Zahl der Arbeitslosigkeit von mehr als zehn Prozent, wurde spontan das Thema „Arbeit und Arbeitslosigkeit“ auf die Tagesordnung der Frankfurter Hauptamtlichen in der Seelsorge gehievt.

Die Teilnehmer gründeten die Initiative „Arbeitsplätze schaffen mit Phantasie“ und beschlossen, die damals 52 katholischen Pfarreien um Unterstützung zu bitten. 24 sagten sofort zu, auch drei muttersprachliche Gemeinden waren dabei, und unterstützten das junge Projekt mit 200 D-Mark jährlich. Der Frankfurter Caritasverband und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB ließen sich gerne ins Boot holen, sodass eine Arbeitsgemeinschaft im Caritasverband gegründet werden konnte.

Das erste Ziel war zu hochgesteckt

Doch die Ernüchterung folgte schnell: Das hehre Ziel, „echt und dauerhaft“ neue Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt, vornehmlich im Bereich der Kirche, zu schaffen, war wohl doch zu hochgesteckt. Was gelang, war allerdings eine Aufstockung der Zahl der Ausbildungsplätze in kirchlichen Krankenhäusern oder katholischen Einrichtungen. Auch so genannte Bürohelferinnen konnten in vielen Pfarrbüros installiert werden, Plätze für junge Schulabsolventen, die ein Jahr lang mitarbeiten und sich derweil auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt orientieren konnten. Zeitgleich mit zunehmenden Personaleinsparungen in den Pfarrbüros lief aber auch diese Initiative nach zwei erfolgreichen Durchgängen aus.

Doch die Gruppe ließ sich nicht entmutigen. Immer wieder wurden neue Möglichkeiten eruiert, „mit Phantasie“ Wirkung zu erzielen. Da gab es den Plan, für Pfarreien und Einrichtungen gemeinsam Büromaterial zu beschaffen, um so den Trend zum Discounter zu stoppen und in Verkauf und Auslieferung Arbeitsplätze zu erhalten. Da wurde die Gründung einer Dienstleistungsagentur überlegt. Doch eine Projektstudie machte schnell klar, dass ein solches Unterfangen eine Nummer zu groß war für die Initiatoren, die sich nicht allein gegen die Auswüchse der Schwarzarbeit würde stemmen können.

„Wir mussten bald erkennen, dass die Initiative nicht selbst Arbeitsplätze schaffen und erhalten konnte“, erzählt Pfarrer Hans-Josef Wüst, Mitinitiator des Projektes. Auch wenn er und seine Mitstreiter, allen voran Geschäftsführerin Ute Schäfer, ihre Kontakte zu Gewerkschaften und Unternehmen nutzten, um auf die Anliegen aufmerksam zu machen. So war Pfarrer Wüst immer wieder in den Industriezentren, damals etwa im Galluspark, bei der Bahnzentrale oder den Autohäusern an der Mainzer Landstraße unterwegs, und warb für zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Neuer Name – neues Konzept

Dennoch, nach rund zehn Jahren war klar: der Name „Arbeitsplätze schaffen mit Phantasie“ war ein wenig zu hochtrabend. „Kirche für Arbeit“ sollte es fortan heißen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken, aber auch, das Projekt auf eine breitere Basis zu stellen. „Wenn die Menschen merken, dass Kirche sich in Notlagen, z.B. bei Arbeitslosigkeit, für die Menschen einsetzt, wird sie auch für Kirchenferne interessant“, beschreibt Pfarrer Wüst das Anliegen. Auch unter dem neuen Namen blieb es bei der erfolgreichen Organisationsform: Ute Schäfer, seit 1997 dabei – zunächst auf einer der wenigen echten ABM-Stellen in der Bundesrepublik – obliegt die Koordination. Mitglieder sind zahlreiche katholische Pfarreien und Einrichtungen, die mit einem Mindestbeitrag von 400 Euro pro Jahr ihre 50-Prozent-Stelle finanzieren. Daran haben auch die gemeindlichen Strukturveränderungen nichts geändert. Dass es in Frankfurt mittlerweile sieben so genannte Pfarreien neuen Typs und nur noch zwei pastorale Räume ohne gemeinsame Zentrale gibt, war dafür kein Hindernis, konnten doch die Kirchorte Mitglieder bleiben oder sogar die größeren Einheiten mitziehen. Auch muttersprachliche Gemeinden, etwa Spanier, Portugiesen oder Polen, blieben dem neuen Konzept treu.

Dabei änderte sich auch die Art des Einsatzes, weg vom kaum zu realisierenden Versuch, aus eigener Kraft tatsächlich neue Arbeitsplätze zu schaffen, hin zu themenbezogenen Projekten, die die Menschen in den Blick nahmen. Damit ist „Kirche für Arbeit“ heute auf einem sehr erfolgreichen und guten Weg: Es gibt rund 30 Paten für Jugendliche und junge Erwachsene, die beim Übergang von der Schule zum Beruf mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie zu Beginn der Ausbildung begleiten, in Konflikten mit dem Arbeitgeber unterstützen, beim Lernen für Prüfungen helfen. Es gibt die Ideenschmiede gegen Arbeitslosigkeit und Berufsfrust, ein offenes Angebot für Erwerbslose oder Menschen, die vor der Kündigung stehen. Sie können hier neue Wege finden, in der Arbeitslosigkeit ihre Lebenssituation zu verbessern oder Arbeitslosigkeit auch als Chance für neue Weichenstellungen sehen zu lernen.

Erfolgsgeschichte „Urlaub ohne Koffer“

Eine richtige Erfolgsgeschichte ist auch der „Urlaub ohne Koffer“, der seit 2008 Menschen mit geringem Einkommen einen oder mehrere Urlaubstage im Sommer in und um Frankfurt ermöglicht. Von zunächst 100 Teilnehmern ist die Zahl der Menschen, die so einfach mal aus ihren eigenen vier Wänden herauskommen und einen Tag mit tollem Programm, von der Schiffsfahrt bis zur Kunstführung, von Spiel und Spaß bis zu einer Wanderung, erleben können, auf mehr als 600 im vergangenen Jahr gestiegen.

Auch die politische Arbeit kommt nicht zu kurz. Es gibt einen Ausschuss „Kirche und Arbeitnehmer“ im Stadtsynodalrat und eine enge Verzahnung mit der Stadtversammlung Frankfurter Katholiken, die sich immer wieder mit Erklärungen zu prekären Arbeitsverhältnissen oder dem Schutz des Sonntags zu Wort melden. Direkte Kontakte zu den Gewerkschaften und gesellschaftlich relevanten Gruppen und natürlich die ökumenische Ausrichtung der Angebote tun ein Übriges, das Bewusstsein für das Thema Arbeit in Frankfurt hochzuhalten.

Und natürlich strahlen aktuelle Entwicklungen auf die Arbeit der Initiative aus: So hat „Kirche für Arbeit“ selbstverständlich die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern als neue Herausforderung erkannt. Da kommen auch die Pfarrgemeinden wieder ins Spiel, war doch schnell klar, dass hier vor allem persönliche Beziehungen in den Stadtteilen genutzt werden müssen, will man für die Betroffenen etwas erreichen. Denn das Motto der Initiative ist 2017 genauso aktuell wie vor 20 Jahren: Nicht nur reden, handeln!