Asyl: Scheuermann redet Klartext

Im Gespräch

Der langjährige Ortsvorsteher von Oppau und Stadtrat in Ludwigshafen im Gespräch mit der Redaktion über Asyl, Integration, Ängste und Politikfehler

Ludwigshafen-Oppau – Er ist der dienstälteste Ortsvorsteher in Ludwigshafen und langjähriges Stadtratsmitglied. Selbst die politischen Gegner zollen ihm großen Respekt. Spätestens seit der Gasexplosion in Oppau 2014 steht sein Engagement für die Menschen außer Frage. Er ist ein lupenreiner Demokrat der sich nicht scheut Klartext zu reden. Gegen Ende seiner politischen Karriere steht er wie alle Politiker in Ludwigshafen vor der größten Herausforderung, die die deutsche Demokratie zu bewältigen hat.

Die Frage ist nicht, wer welcher Partei angehört. Die Frage ist „Ziehen wir alle an einem Strang?“ und „Schaffen wir das?“. Aus diesem Grund haben wir uns mit Udo Scheuermann, SPD, zum Gespräch verabredet.

Zur Erinnerung

Am 15.07.2015 teilte die Stadtverwaltung in einer Bürgerversammlung in Edigheim durch die anwesenden Vertreter OB Dr. Lohse und Wolfgang van Vliet mit, dass der Standort für die geplante Asylunterkunft auf das Areal Kranichstraße festgelegt wurde. Dabei steht die Stadtverwaltung mit allen Behörden bis hin zur OB unter einem enormen Druck. Die Entscheidungen die in Berlin getroffen wurden, schlagen auch in Ludwigshafen voll durch.

Zweimal in der Woche treffen Busse mit Asylbewerbern am Stadthaus Nord ein. Diese große Zahl muss von den städtischen Verantwortlichen und den Mitarbeitern in den Behörden gestemmt werden. Dazu gibt es keine Alternative. Ich habe mich mit Udo Scheuermann, Ortsvorsteher des Ortsbezirks Oppau, getroffen, um auf die wichtigsten Fragen der Bürgerinnen und Bürger Antworten zu bekommen.

Hier im Ortsbezirk sind ebenfalls große Anstrengungen notwendig, um die anstehenden Aufgaben zu meistern. Aus diesem Grund hat er sich von Beginn an bereit erklärt, die Koordination über sein Büro laufen zu lassen. Und dazu ist sein ganzes Organisationstalent gefragt. Ob Integration oder Sicherheit – er hat kein Thema ausgelassen. Unsere Fragen und die Fragen der Menschen im Ortsbezirk wurden von ihm klar und deutlich beantwortet. Das Thema rund um die Asylunterkunft in der Kranichstraße bewegt Viele im Ortsbezirk.

Redaktion
Herr Scheuermann, wie ist die aktuelle Lage bezogen auf die Asylunterkunft in der Kranichstraße?

Scheuermann
Der Standort ist von der Verwaltung und dem Ortsbeirat abgesegnet. An dem Standort ist nicht zu rütteln. Die Baugenehmigung ist in Arbeit. Hier muss wie bei allen anderen Verfahren auch ein Bauordnungsverfahren durchgeführt werden. Das ist im Moment im Gange. Je nachdem wie schnell wir Firmen bekommen, die den Bau umsetzen, wird das Ganze noch Ende des Jahres beginnen. Die geplante Fertigstellung soll im August 2016 sein.

Redaktion
Sie spielen auf die Bürgerinitiative Kranichstraße (BI) an. Haben Sie sich die Argumente der BI angehört?

Scheuermann
Persönlich sind die Verantwortlichen der BI nie an mich herangetreten. Ich habe mir den Schriftverkehr der OB besorgt. Das sind meine Kenntnisse. Dass die BI vehement gegen den Standort kämpft, ist bekannt. Es ist ein Verfahren, das wir von Anfang an gewählt haben. Denn wenn wir in Bürgerversammlungen gehen und sagen wir haben dieses und jenes vor gibt es sofort Proteste. Es gibt keinen Standort in Ludwigshafen, der 100 % akzeptiert ist. Das ist auch in anderen Stadtteilen so. Die Stadt sucht zunächst einmal Grundstücke aus, auf die sie auch Zugriff hat. Das Gelände muss in städtischem Grundbesitz sein. Alles andere führt nur zu weiteren Verzögerungen.

Die Zeit drängt und wir müssen die Menschen unterbringen. Deswegen wurden zwei Standorte ausgesucht, die im Besitz der Stadt sind. Es wird die Verträglichkeit geprüft. Es gibt eben Standorte, die näher an einer Wohnbebauung liegen, und solche, die etwas weiter weg sind. Und es muss die Erschließung gesichert sein. Wir können kein Gelände nehmen, das die BI vorschlägt, welches sich im städtischen Besitz befindet, aber ansonsten auf einem Acker weit draussen liegt und wo noch hohe Erschließungskosten hinzukommen. Die Stadt ist vor allen Dingen verpflichtet, da es sich um Steuergelder handelt, Standorte zu suchen, die auch vom Finanziellen her gesehen leistbar sind.

Wir können nicht in den Grünzug eine Asylunterkunft hin bauen, weitab von jeglicher Erschließung, wo wir erstmal Kanal und Straßen bauen müssen. Dazu noch Strom und Beleuchtung. Das ist finanziell nicht tragbar. Aus diesem Grund fällt die Wahl auf solche Standorte.

Redaktion
Verstehen Sie die Ängste und Sorgen der Anwohner?

Scheuermann
Ich habe sicherlich Verständnis für jeden, der in der Nähe wohnt und eine solche Unterkunft in seiner Nachbarschaft hat. Es ist etwas, was wir nicht gewohnt sind. Da kommen dann zusätzlich Menschen hin. Wir haben inzwischen Standorte die unmittelbar in der Ortschaft liegen. Die Stadt kauft bspw. Häuser auf, die sie zur Verfügung gestellt bekommt. Diese werden umgebaut. Auch dort werden Asylbewerber- und Familien untergebracht. Da wohnt man dann Haus an Haus. Diese Modelle gibt es auch. Wir als Kommune sind eben verpflichtet die Menschen unterzubringen.

Wir haben die Probleme vor Ort, dass wir die Menschen ordentlich und menschenwürdig unterbringen können. Wir haben dann die ganzen Herausforderungen, die hinterher auf uns zu kommen. Integration, Arbeitsplätze etc. Zumindest für den Personenkreis, der sich hier integrieren möchte. Wir müssen die schulische und die Kindergartensituation meistern. Das sind alles Punkte, die jetzt ernsthaft in Angriff genommen werden müssen. Es gibt inzwischen Gespräche mit den Schul- und den Kindergartenleitungen. Ich meine, was die europaweite und die weltweite Situation betrifft, können wir das nicht lösen. So wie das bisher war, dass eine bestimmte Gruppe an Waffen sehr viel Geld verdient und die Menschen zwangsläufig ihr Land verlassen. Deswegen muss da dringend etwas geschehen. Die Kommunen appellieren an die Verantwortlichen. Da ist in erster Linie Europa gefragt, da ist aber auch die Weltpolitik gefragt. Und da müssen ordentliche Konzepte her. Und solange die Situation in diesen Ländern so ist, dass man sich weder in politischen Fragen noch in religiösen Fragen gegenseitig Toleranz gibt. Solange die Probleme in diesen Ländern nicht geregelt sind, dass bspw. Frauen nichts zu sagen haben, dass keine Ausbildung da ist. Solange bleiben die Probleme bestehen und Europa wird erdrückt. Im Moment haben wir die Situation, dass die Menschen hier herkommen und wir verpflichtet sind diese unterzubringen. Da ist in erster Linie Europa gefragt, da ist aber auch die Weltpolitik gefragt. Und da müssen ordentliche Konzepte her.

Niemand auf politischer Ebene, auf kommunaler Ebene oder städtischer Ebene macht das aus „Jux und Dollerei“ oder um unsere Bürger zu ärgern. Deswegen appelliere ich an alle Bürger hier das notwendige Verständnis aufzubringen.

Redaktion
Damit ist die BI gemeint?

Scheuermann
Ja, wenn dann solche Gruppierungen wie die BI, die das Recht haben ihre Meinung zu äußern, nicht vorsichtig sind, dann schließen sich schnell ganz andere Gruppen an, die die BI ausnutzen und die Stimmung ausnutzen. Und ich möchte kein drittes Reich mehr in der Bundesrepublik. Ich bin so erzogen, dass wir in Freiheit leben, eine gewisse Menschlichkeit ausstrahlen und das ist mir als politisch Verantwortlicher sehr wichtig. Insofern habe ich kein Verständnis für das, was momentan in anderen Bundesländern abgeht, besonders in unseren neuen Bundesländern.

Redaktion
Gegner oder Andersdenkende werden schnell in die rechte Ecke gerückt

Scheuermann
Das soll man sicherlich nicht tun. Man muss differenzieren. Es gibt Leute, die ihre Bedenken äußern und das ist demokratisch völlig in Ordnung. Aber ich habe etwas dagegen, wenn die Trittbrettfahrer versuchen mit rechtsradikalen Themen Angst zu verbreiten, einzuschüchtern. Das halte ich für nicht in Ordnung.

Redaktion
Gehen wir zurück zum Ortsbezirk. Ist schon klar wer da kommt? Männer, Familien, einzelne Frauen?

Scheuermann
Das Problem liegt darin, dass die Menschen zweimal in der Woche hier „angekarrt“ werden, werden beim Stadthaus Nord abgeliefert und dann müssen die städtischen Behörden schauen, wo werden die Menschen untergebracht. Wir bekommen das nicht konkret signalisiert. Manchmal kommen ganz andere Menschen, als die die uns angekündigt wurden. Wenn bspw. Jugendliche, minderjährige kommen, die müssen wir ganz anders unterbringen als Familien und Einzelpersonen. Wir versuchen die Menschen nach Nationalitäten oder Familien zu sortieren. Und die Voraussetzungen der Gebäude in der Kranichstraße sind für Familien ideal. Trotzdem können auch Einzelpersonen dort untergebracht werden. Und wie das im August im kommenden Jahr aussieht, kann zur Zeit niemand sagen.Ich habe kein Verständnis für das, was momentan in anderen Bundesländern abgeht, besonders in unseren neuen Bundesländern.

Aus diesem Grund war es mir wichtig, dass nicht jede Gruppe ihr eigenes Süppchen kocht. Jede Bürgerbewegung, jede politische Partei, jede Kirchengruppierung, sondern dass wir dies koordinieren für alle drei Stadtteile (Oppau, Edigheim und Pfingstweide – die Red.) Und das sollten die Verantwortlichen der BI bitte bedenken. Wir stellen nicht einfach nur die Häuser hin und schauen dann mal wie das ausgeht. Denn gerade die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten tragen dazu bei, Probleme die entstehen wenn man die Menschen sich selbst überlässt, im Vorfeld nicht aufkommen zu lassen.

Redaktion
Es geht um Anleitung und Einführung in unsere Kultur, Werte und Abläufe?

Scheuermann
Die Menschen kommen hierher und haben noch nie etwas von einem grünen Punkt gehört. Sie benötigen Anleitung, was bei uns alles zu beachten ist. Und daß das Gemeinschaftsleben geordnet zugeht. Und da tragen wir alle mit dazu bei. Ich sehe das als unsere Verpflichtung. Nicht einfach zwei Häuser bauen und dann zuschauen. Wir wollen das ja begleiten. Es haben sich rund 40 Personen gemeldet, die die Sache dort vor Ort in vielfältiger Art und Weise betreuen wollen. Die wollen Fahrräder besorgen, sich um Kleidung kümmern. Alles was täglich ansteht. Es wird Hilfestellung gegeben bei behördlichen Gängen, bei der Sprache. Hier ist vieles vorgesehen. Das ist für mich ein wesentlicher Bestandteil und diese Maßnahmen werden auch in der Kranichstraße durchgeführt werden. Wir werden alles tun von unserer Seite aus, dass es da nicht zu Problemen kommen wird.

Redaktion
Die BI spricht von Massenunterkünften.

Scheuermann
Massenunterkünfte wären dann bspw. die Hochhäuser. Da sind ja faktisch mehr Personen drin als nebenan hinkommen werden. Das war der Punkt, den wir mit der Verwaltung abgesprochen haben, dass man an solchen Standorten, die in Wohnortnähe sind, die Zahl so begrenzt, dass es sich in das Gefüge vor Ort einspielt. Es war von Anfang an nie gedacht, dass man dort 500 oder 1000 Personen reinsetzt. Und es wurde zugesichert, auch im Ortsbeirat, dass es bei den beiden Häusern bleibt. Bei 108 Personen. Es gibt dort keine weiteren Häuser weil dort 1. die Stadtbahntrasse freigehalten wird und 2. ist es wegen den Versorgungsmöglichkeiten, Leitungen, gar nicht möglich.

Redaktion
Gehen wir nochmals zurück zur Integration. Der erste und wichtigste Schritt ist die Sprache. Was ist da geplant?

Scheuermann
Ich habe in den Anmeldungen Personen, die teilweise aus dem Lehrerberuf kommen, die mehrere Sprachen sprechen und die sich engagieren möchten.

Redaktion
Die vor allen Dingen auch in der Landessprache des Asylbewerbers kommunizieren können?

Scheuermann
Ja, auch zum Teil in deren Sprache. Dann organisiert die Stadt Personen, die dann, wenn es notwendig ist, auch dolmetschen können. Ich sehe es gerade hier in Oppau in der Unterkunft. Die Kinder lernen ruck zuck unsere Sprache und dolmetschen dann für die Eltern. Die zuständige Betreuerin sagte mir, die haben innerhalb eines Vierteljahres Deutsch gelernt, so dass eine vernünftige Unterhaltung bereits möglich ist. Klar ist die Sprache das Wichtigste. Wir müssen über kurz oder lang miteinander reden können. Dann kommen die anderen Dinge.

Redaktion
Ein nicht zu unterschätzendes Thema ist Langeweile. Wer herumsitzt und nichts tut, kommt vielleicht auf nicht gesellschaftskonforme Freizeitbeschäftigungen. 

Scheuermann Da haben wir inzwischen die Gesetzgebung, dass Menschen, die zumindest die Duldung haben, schneller etwas arbeiten dürfen. Wir können die Probleme der Welt nicht lösen. Das müssen wir ganz nüchtern sehen. Und wenn es Politiker auf hoher Ebene gibt, die meinen, egal wie viele da kommen, zu lösen. Das halte ich für nicht praktikabel. Es muss bestimmte Regelungen geben. Die Asylverfahren müssen schneller abgewickelt werden. Dass man genau sagen kann, die und die bleiben da. Vorrangig Menschen die aus einem Kriegsgebiet kommen. Dass Menschen auch aus wirtschaftlichen Gründen kommen ist ja begreifbar. Doch das Problem dieser Masse, die momentan auf Europa zukommt und wenn man es genauer betrachtet auf 2 oder drei Staaten, ist meiner Meinung nach nicht lösbar. Deswegen müssen dringendst auf hoher Ebene Entscheidungen getroffen werden, die das Problem lösen.

Redaktion
Lassen Sie uns über das sensible Thema „Sicherheit“ sprechen.

Scheuermann
Das Sicherheitsgefühl haben wir jetzt schon. Ob wir Asylbewerber in unseren Stadtteilen haben oder nicht. Die Kriminalität hat sich nicht erhöht. Auch in den Stadtteilen, in denen jetzt schon sehr viele Asylbewerber untergebracht wurden. Das sind die Aussagen, die die Polizei trifft. Die Polizei sagt wir haben aus dem Bereich Asylbewerber keine Auffälligkeiten. Dann nehme ich das unserer Polizei ab. Kriminalität gab es auch vorher schon. Da wird sich nichts ändern dran. Wir haben auch im Ortsbezirk Kriminalität. Auch die haben wir schon seit Jahren. Allerdings haben wir auch die geringste Kriminalitätsrate in ganz Ludwigshafen. Ich kenne das Thema seit Jahren, wenn eben ältere Leute sagen, sie können Abends nicht mehr auf die Straße gehen. Es hängt auch damit zusammen, dass man nicht die guten Dinge in der Zeitung liest. Dass bspw. 100.000 Leute auf der Straße im Monat herumlaufen und denen nichts passiert, Wenn aber einmal was passiert dann steht das natürlich in der Zeitung. Das muss man eben im Verhältnis sehen. Wir haben heute in den Stadtteilen eher das Problem mit der Umweltverschmutzung. Da gibt es Zeitgenossen die ihren Dreck überall entsorgen. Oder Verkehrsprobleme, weil die Verkehrsmoral sehr niedrig ist. Es gibt Einbrüche. Auch die haben wir schon immer gehabt. Es sind eben Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, Wenn man aus dem Haus geht sollte man sein Fenster schließen und nicht alles offenstehen lassen. Da muss man sich nicht wundern. Es gibt leider Gottes nicht nur anständige Menschen. Die Situation wird sich meiner Einschätzung nach nicht verschärfen. Im Gegenteil, Die Menschen wollen ja hier bleiben. 99 % wollen sich integrieren, wollen einen Arbeitsplatz suchen. Ein paar Wenige gibt es überall die auffällig sind. Und in diesem Fall muss man von polizeilicher Seite aus durchgreifen. Wer sich nicht an die Regeln und die Ordnung hält, dem muss man sagen dass er hier kein Bleiberecht hat. Da muss man deutlich einwirken.

Es ist ebenfalls unsere Verpflichtung, dass wir unsere Bevölkerung schützen müssen. Trotzdem darf man das nicht auf eine Schiene bringen, wo man meint da kommen nun Flüchtlinge und sofort steigt die Kriminalität. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass dies bei Weitem nicht stimmt. Allerdings muss die Polizei handlungsfähig bleiben und passieren Missstände, dann muss das wie in unserem Rechtsstaat üblich geahndet werden.

Redaktion
Es gibt ja einen Unterschied von den Erstaufnahmelagern zu den Häusern, in denen Flüchtlinge untergebracht werden.

Scheuermann
Sehen wir in Mannheim. Wenn dann auf engstem Raum tausende Menschen untergebracht sind und das Mehr oder weniger ein Provisorium ist. Auf die Schnelle kann man da keine Hotelzimmer bereitstellen. Es ist kein Service dabei. Und wo so viele Menschen zusammenkommen, gibt es dann auch Auseinandersetzungen. Wir sehen das bei uns. Machen Sie mal mit einer Gruppe eine Busfahrt. Da entstehen ganz schnell Platzstreitigkeiten. Da geht es schon los. Aber das ist eben menschlich so. Und die Polizei muss so offen sein, dass Personen, die kriminell werden, auch verfolgt werden.

Redaktion
Ihr Urteil über die Medien. Bauschen die Medien ihrer Meinung nach das Thema auf?

Scheuermann
Was ich komplett ablehne das ist Facebook. Manche Leute sagen es sei ein soziales Netz. Was sich da auftut ist für mich Hetze. Das hat mit sozial nichts mehr zu tun. Da beginnt für mich auch die Unterscheidung zu Menschen, die Vorschläge machen, ob man vielleicht etwas besser machen kann zu denen die Morddrohungen ausstoßen, Galgen aufbauen oder ein Nazi-Regime verharmlosen. Das sind für mich die Rechtsradikalen. Ein Rechtsradikaler ist für mich Niemand der jetzt mal zu Recht sagt, ich habe Angst, was da auf mich zu kommt. Das sind für mich Menschen, die ihre berechtigten Bedenken vorbringen können. Wenn man allerdings, so wie es Köln war, jemand versucht zu töten oder zu Straftaten aufruft, da hört es wirklich auf. Das ist böser Rechtsradikalismus. Meine Meinung ist die Bevölkerung gut beraten besonnener an das Thema heranzugehen.

Auch Falschmeldungen sind Hetze. Jeder hat eine gewisse Eigenverantwortung den Sachverhalt selbst einzuschätzen und nicht irgendjemand hinter laufen ob es Facebook, Medien oder Fernsehen ist. Oder irgendwelches dummes Zeug das ein Minister oder auch ein Ministerpräsident schwätzt. Unsere örtlichen und regionalen Medien gehen mit dem Thema kritisch um. Schüren aber keine Falschmeldungen. Das ist für mich völlig in Ordnung. (Wir bedanken uns für das Kompliment – die Red.)

Redaktion
Wir haben uns Gedanken gemacht wie wir mit dem Thema umgehen. Und wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten und unter Unterhaltung auch der Persönlichkeitsrechte auch vor Ort berichten. Wir halten den Dialog für essentiell

Scheuermann
Ich habe das auch zu meiner persönlichen Aufgabe gemacht. Gleich welche Themen sehe ich uns als Politiker in der Verantwortung für unsere Bevölkerung da zu sein. Da gibt es sicherlich Leute die meinen sich behaupten zu müssen.Für einen Gast und Jemand der in ein anderes Land geht gehört dazu, dass man sich an die Gepflogenheiten gewöhnt und das auch einhält.

Ich bin auch nicht dafür, was mir zu Ohren kam, dass es in einem Kindergarten plötzlich heißt wir dürfen keine Cervelat mehr essen, sondern nur noch Rindswurst. Das geht meiner Meinung nach zu weit. Wenn jemand aus religiösen Gründen so etwas macht dann ist das seine persönliche Sache. Das kann man nicht anderen überstülpen. Da habe ich bisher immer den Mut gehabt Leuten die eine andere Vorstellung oder Prägung haben, zu sagen wo es lang geht. Das hat nichts mit Rechtsradikalismus zu tun, sondern mit der Tatsache, dass wir unser gemeinschaftliches Leben miteinander pflegen. Jeder muss seine politische Einstellung haben, wenn es auf der Basis unseres Grundgesetzes ist und jeder soll seine religiöse Einstellung bewahren können. Das ist für mich ganz wichtig. Es spielt für mich keine Rolle welche Religion jemand hat. Für mich zählt ob es ein anständiger Kerl ist oder eben nicht. Ich werde, sollte es Missstände geben dies mit aller Konsequenz im Griff halten. Denn anders funktioniert es nicht. Auch unseren Leuten muss man manchmal sagen wo es lang geht.

Redaktion
Es ist ein sehr große Aufgabe für Sie und die Stadtverwaltung in Ludwigshafen. Sicherlich nicht einfach zu bewältigen

Scheuermann
Das ist mir klar. Wir könnten es uns alle sehr einfach machen. Wir wären froh, wenn wir keine Asylbewerber bekommen würden bzw. wenn wir das Thema nicht hätten. Zumindest nicht in diesen Dimensionen. Das macht bei uns in Ludwigshafen insgesamt keinem Spaß. Unseren Leuten in der Verwaltung schon überhaupt nicht. Weil die sind gefordert von morgens bis abends. Die müssen die Probleme lösen. Das muss aus dem Stand heraus gelöst werden. Die gesamte Verwaltung ist nicht zu beneiden. Wir versuchen Personal einzustellen. Doch das ist auch nicht gerade von der Stange mal schnell greifbar. Wir stellen Sozialarbeiter ein die notwendig für die Betreuung in den Asylunterkünften sind. Und das allein ist schon schwierig genug. Wir benötigen Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen. Für viele Millionen neue Einrichtungen. Wir müssen bestehende Einrichtungen erweitern und haben das Personal dafür nicht. Das geht eben nicht von jetzt auf nachher. Das ist eben unser Thema. Wir sind als Kommune an der untersten Ebene. Wir müssen die anstehenden Probleme lösen. Da gibt es dann schlaue Leute. Die beschließen schlaue Gesetze im Bund und im Land und dass Jeder einen Anspruch hat auf dieses und jenes. Nur wie das dann ganz unten zu regeln ist und vor allen Dingen schnell, das wird nicht erklärt. Selbst wenn man das Geld hat ist das schwierig. Es fehlt das Personal.

Bevor in Berlin solche Gesetze gemacht werden, müsste der Bund erstmal Erzieher und Erzieherinnen ausbilden. Aber es läuft bei uns immer andersrum. Wir als Kommune haben immer den Ärger. Wir müssen uns unmittelbar mit den Menschen auseinandersetzen. Wir sind als Ortsbeiräte oder Stadträte immer greifbar. Bei uns kann jeder an der Haustür klingeln. Und kann jeder auf der Straße ansprechen. Das Thema haben die Politiker in Berlin nicht. Als ich vor Kurzem im Bundeskanzleramt in Berlin war, musste ich sogar den Gürtel ausziehen. Dass man sich noch nicht komplett ausziehen muss, damit man ins Gebäude darf, ist grade alles. Die werden geschützt. Das ist bei uns lokal anders. Uns schlägt man alle Themen um die Ohren.

Redaktion
Haben Sie Angst vor Rechtsradikalen hier im Ortsbezirk?

Scheuermann
Die Gefahr ist sicherlich da. Herr Saladin, Herr Röber und Herr Bauer (Die Verantwortlichen der BI – die Red.) wissen sicherlich, dass ich ihnen niemals unterstellen würde rechts zu sein. Das will ich nochmals klarstellen. Dennoch muss man sehr aufpassen, dass andere nicht das Heft in die Hand nehmen. Denn das wäre schlimm. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Gerade in unserem Ortsbezirk müssen wir uns erinnern was 1933 war. Und sowohl von meiner politischen Seite aus betrachtet als auch aus dem Blickpunkt der anderen politischen, demokratischen Parteien müssen wir sehr wachsam sein, dass solche Gruppierungen kein Oberwasser bekommen. Und man sieht es ja auch und darüber wundere ich mich immer wieder. Die werden in den Ortsbeirat gewählt, erscheinen zur konstituierenden Sitzung einmal und dann nie wieder.

Ich habe keine Probleme mit solchen Leuten, wenn die allerdings nicht anwesend sind ist mir das ganz angenehm. Aufgrund unserer Geschichte und unserer Erfahrung müssen wir da ganz besonders wachsam sein. Wir sehen es momentan auch in Dresden was da für Äußerungen gemacht werden. Da frage ich mich wo sind die Leute in die Schule gegangen. Geschichtsunterricht haben die mal ganz bestimmt nicht gehabt.

Redaktion
Es gibt Untersuchungen die belegen, dass der Großteil bei den Demos aus der politischen Mitte stammt. Es laufen also normale Menschen mit.

Scheuermann
Das ist auch keine Frage von Bildung oder Ausrichtung. Sondern es gibt Gruppen die lassen sich leiten, teilweise gesteuert über Ängste. Ich sage immer: Die Menschen lernen nicht aus der Geschichte. Das ist meiner Meinung nach ein großer Fehler. Wir sind in jedem Fall sehr wachsam, wenn sich Gruppierungen bilden und dann auf diesen Zug aufspringen.

Weil wir auch im Ortsbeirat Anfragen hatten und festgestellt haben, dass der dritte Weg Infostände macht. Diese müssen angemeldet sein. Da achten wir darauf. Wenn ich einen Infostand feststelle gleich welcher Gruppierung dann hole ich die Polizei und lasse die Anmeldung prüfen. Solange diese Gruppierungen nicht verfassungsauffällig sind dürfen die Infostände durchführen. Sie befinden sich andererseits auch unter Beobachtung.

Redaktion
Haben Sie in der Planung mit den direkten Anwohnern der Häuser einen Dialog zu führen?

Scheuermann
Bei mir war noch niemand in meiner Sprechstunde. Ich bin, sehr offen für Themen. Wenn jemand ein Anliegen hat ist er jederzeit Willkommen, oder kann mich anrufen. Mich hat noch nie jemand bezogen auf dieses Thema in der Sprechstunde besucht. Auch wurde ich bisher noch nicht schriftlich oder telefonisch kontaktiert. Wir werden ab Januar die Arbeitsgruppen zusammenkommen lassen. Alle Personen die ehrenamtlich tätig werden sind mir bekannt. Die bekommen demnächst Informationsmaterial. Ich kann mir vorstellen, dass wir im nächsten Jahr, wenn es konkreter wird, nochmals eine Bürgerversammlung durchführen um uns besser zu koordinieren und Ideen auszutauschen. Ich erwarte dann schon von allen Beteiligten eine schnelle Rückmeldung, wenn irgendwo etwas nicht passt.

Wir werden im Vorfeld soviel wie möglich abklären. Es tauchen immer wieder kleine Herausforderungen auf die wir auch früher schon zu lösen hatten. Da steht plötzlich ein Müllcontainer da und die Menschen wissen erstmal nicht wie sie damit umzugehen haben. Das hatten wir bereits. Das ist auch schnell gelöst worden. Wir können Vieles, wenn wir miteinander reden, aus der Welt schaffen.

Ich denke mal wenn wir wissen welche Personen kommen, dann machen wir eine Anwohnerversammlung für die, die dort direkt in der Nähe der Häuser wohnen. Wir informieren und wir klären auf. Selbstverständlich bleibe ich der Ansprechpartner für alle Anliegen.

Redaktion
Den Anwohnern geht es letztlich um Ängste und die Ungewissheit was kommt

Scheuermann
Ich mache dieses Geschäft nun schon lange genug. Die Menschen sind sehr egoistisch geworden. Jeder will sein Problem gelöst haben. Packen wir etwas an und lösen es, ist wiederum ein Anderer betroffen und damit unzufrieden. Wenn ich eine Buslinie von der einen in die andere Straße verlege, dann verlege ich halt auch den Lärm in die andere Straße.

Redaktion
Sehen Sie eine Veränderung zu früher?

Scheuermann
Früher konnte man noch mit den Leuten reden. Die waren vernünftig. Haben so manches eingesehen. Heute kommen Leute zu mir die nur sagen: „Es ist mir egal wie sie das Problem lösen. Ich will meine Ruhe haben“. Das ist der Tenor den ich regelmäßig erlebe. Das ist der Zeitgeist. Ellbogengesellschaft. Rücksichtslosigkeit. Keine Toleranz mehr. Wir sehen das am Verkehrsverhalten im Ortsbezirk. Gerade heute Morgen als ich in ein Geschäft ging habe ich einen Autofahrer angesprochen der sich direkt auf die Bushaltestelle gestellt hatte. Dort ist er mit seinem PKW noch auf den hohen Randstein gefahren. Er hat mich kurz angeschaut und dann in die Luft. Dann ist er mürrisch weggefahren.

Ich sehe in jedem Fall dass sich solche Dinge im Gegensatz zu früher, wesentlich verschlechtert haben. Allerdings gibt es auch noch liebe Menschen und vernünftige Menschen im Stadtteil die auch noch für die Gemeinschaft da sind. Es gibt dann auf der anderen Seite auch die Gruppe der Menschen, mit denen man nicht mehr vernünftig reden kann.

Redaktion
Nochmal zurück zu den Häusern. Die Gegner sagen, dass sich zuerst die geplante Anzahl an Personen in den Häusern befindet und dann nach und nach die doppelte oder dreifache Anzahl sich einquartieren.

Scheuermann
Im Gegensatz zu früher. Da haben die Asylbewerber bei der GAG direkt die Wohnungen gemietet. Wir sind inzwischen dazu übergegangen die Wohnungen als Stadt Ludwigshafen zu selbst zu mieten. Wir hatten früher mal Fälle wo die dann ihre Leute beigeholt haben und plötzlich waren anstatt 5, 10 Personen in einer solchen Wohnung. Da achten wir drauf. Wenn wir Feststellen dass so etwas passiert, dann werden wir tätig. Das wird kontrolliert. Das geht auch gar nicht anders. Die Asylunterkunft unterliegt genau wie alle anderen Gebäude bestimmten polizeilichen und feuerwehrtechnischen Auflagen. Würde also die Verwaltung nicht drauf achten und es befänden sich plötzlich dreimal so viele Personen in den Wohnungen, dann hätten wir im Schadensfall ein Riesenproblem. Deswegen achten wir schon aus diesem Grund genau darauf. Für alle Mitarbeiter die in diesem Bereich tätig sind, also die Hausmeister, die achten darauf. Es sind Regeln da und die sind einzuhalten.

Wenn es Vorfälle gibt wo es um polizeiliche oder Ordnungssachen geht ist jemand da der sich darum kümmert. Das ist kein rechtsfreier Raum. Das geht überhaupt nicht. Und wenn die Polizei Dinge feststellt dann wird diesen Sachen selbstverständlich nachgegangen.Wir sind vor allen Dingen bemüht, dass wir mit dem ehrenamtlichen Konzept eine Gestaltung hinbekommen, die verträglich bleibt für die Anwohner. Insofern darf die BI froh sein, dass es so viele Menschen gibt, die sich bereit erklärt haben mithelfen zu wollen und damit vor allen Dingen mit dazu beitragen Probleme zu vermeiden.

Redaktion
Gegen Ende ihrer politischen Karriere stehen Sie und natürlich alle demokratischen Politiker in Ludwigshafen vor der wohl größten Herausforderung deren Ende nicht absehbar ist. Planen Sie eventuell eine weitere Amtszeit anzuhängen oder beenden Sie Ihren politisch aktiven Weg wie geplant?

Scheuermann
Ich bin jetzt 70. Und es wird langsam Zeit einem Jüngeren das Zepter zu übergeben. Und aus diesem Grund habe nicht die Absicht nochmals zu kandidieren. Ich nehme mir vor, dass ich meinem Nachfolger nicht irgendwelche guten Ratschläge gebe. Wenn ich gefragt werde, dann selbstverständlich. Wenn das Thema weiter ansteht ist es für mich nicht ausgeschlossen, dass ich mich in einer anderen Funktion einbringen werde. Ich bin seit vielen Jahrzehnten gewohnt so zu arbeiten. Da kann ich nicht einfach sagen, dass ich nichts mehr machen werde. Ich bin bspw. Mitglied im VdK und als Vorsitzender entsprechend engagiert wir waren früher gefordert Menschen die aus dem Krieg zurück kamen wieder in das Normale, gesellschaftliche Leben zu integrieren. Das ist zwar eine andere Ebene. Trotzdem ergibt sich auch für mich daraus eine gewisse Verantwortung an dem Thema dran zu bleiben und weiter tätig zu sein, wenn es gesundheitlich so bleibt.

Redaktion
Herr Scheuermann ich bedanke mich für das offene und ehrliche Gespräch.