„Am Ende nehmen sie uns noch das letzte Hemd“

Kommunaler Finanzausgleich

„Letzte Hemden“ werden vom hessischen Städte- und Gemeindebund hessenweit eingesammelt und vor Landtagssitzung präsentiert

Kreis Bergstraße – Alle 22 Bürgermeister des Kreises Bergstraße –egal welcher Couleur- zeigen Flagge und beteiligen sich ausnahmslos an der Aktion „Das letzte Hemd der Bürger“. Heute Vormittag (07.07.15) stellten Erster Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf und Bürgermeister Jürgen Kaltwasser (Lautertal) in seiner Funktion als Vorsitzender der Kreisversammlung Bergstraße zusammen mit fast allen erschienenen Kreisbürgermeistern die Aktion im Einzelnen vor.

Von den vier eingeladenen Landtagsabgeordneten war Norbert Schmitt erschienen. Die drei anderen fehlten entschuldigt.
Mit dem symbolisch „letzten Hemd“ der Bürgerinnen und Bürger, die das Land Hessen ihnen künfig nehmen wird, soll auf diese traurige Tatsache hingewiesen werden. Denn das Land  greift mit dem neuen Finanzausgleich den Bürgerinnen und Bürgern  verstärkt in die Taschen. 

Die mitgebrachten Hemden mit der entsprechend aufgedruckten Botschaft wurden heute von Schimpf und Kaltwasser entgegengenommen. Am 16. Juli sollen  die von allen hessischen Landkreisen eingesammelten „letzten Hemden“ bei der Geschäftsstelle des hessischen Städte- und Gemeindebundes öffentlichkeitswirksam  präsentiert werden, später auch vor dem Hessischen Landtag. 

Für die 22 Bergsträßer Bürgermeister und die Kreisspitze ist klar:

„Wenn das Gesetz wie geplant beschlossen wird und nicht auf die zahlreichen sinnvollen Hinweise in der Anhörung reagiert wird, wird es in den Städten zu weiteren Steuererhöhungen kommen. Ansonsten steht die Lebensfähigkeit der Gemeinden auf dem Spiel!“

Schon jetzt, so Bürgermeister Matthias Baaß, einer der Mitinitiatoren der Aktion, ist die Grundsteuer im Schnitt der Städte ab 20.000 Einwohner seit 2009 um 55 Prozent gestiegen.

Baaß: „Diese Erhöhungen sind unmittelbar das Ergebnis der Politik der hessischen Landesregierung, die den Städten in Hessen das ihnen zustehende Geld weggenommen hat.“

Zudem handele die Landesregierung in diesem Zusammenhang unehrlich.

„Wenn das Land den Gemeinden Aufgaben überträgt, ihnen das dafür notwendige Geld aber vorenthält, dann ist das in meinen Augen unehrlich!“ 

Kritik am kommunalen Finazausgleich äußerte auch der Bensheimer  Bürgermeister. Er rechnet mit einer Verschlechterung des Haushaltsdefizits in Höhe von 3 Mio. Euro im nächsten Jahr und über 4 ½ Mio. Euro in den kommenden Jahren.

Auch die Bürgermeister der Odenwaldgemeinden sehen keine Verbesserung. Man sei gezwungen, Steuern und Abgaben für die Bürger noch weiter zu erhöhen. Die geforderten Einsparpotentiale seien in der Praxis nicht umsetzbar, die Bedarfserfassung seitens des Landes nicht feingliedrig vorgenommen worden.

Allgemein kritisiert wurden die hohen Kosten in den Bereichen Kinderbetreuung und Unterbringung von Flüchtlingen. Immer höher steigende Kosten, die die Städte nicht mehr schultern könnten. Die Folge: Politische Gestaltungsmöglichkeiten gibt es fast keine mehr! Immer weniger Bürger seien zu kommunalpolitschem Engagement bereit. Diese Haltung dokumentiere sich auch bei Wahlen. Immer weniger Menschen gingen wählen.

Zur Information:

Nach Aussage von Finanzminister Dr. Thomas Schäfer werden durch die Neufassung des kommunalen Finanzausgleichs 2/3 der hessischen Kommunen mehr Zuweisungen erhalten als nach dem alten Finanzausgleichssystem. Dieses Plus bietet nur eine trügerische Sicherheit, wenn der Gesetzentwurf zum kommunalen Finanzausgleich nicht noch geändert wird.

Die Kommunen werden gezwungen sein, die Abgaben für ihre Bürgerinnen und Bürger noch weiter zu erhöhen. Durch die Vorgaben des Hessischen Innenministeriums waren die Städte und Gemeinden vielerorts bereits gezwungen, Steuerhebesätze zu erhöhen, Gebühren und Beiträge anzuheben und Leistungen zu streichen. Dennoch fällt es den meisten Kommunen schwer, ihren Haushalt auszugleichen und die weiter wachsenden Aufgaben wahrzunehmen. Durch die nicht bedarfsgerechte Finanzausstattung werden weitere Einschnitte bei den Menschen vor Ort nicht zu vermeiden sein, so der Vorsitzende der Kreisversammlung und Lautertaler Bürgermeister Jürgen Kaltwasser.

Die Aussage des Finanzministers zu erwarteten Mehrzuweisungen an einige Kommunen ist lediglich eine Momentaufnahme. Denn die vergleichsweise positiven Prognosen für diese Kommunen beruhen auf Übergangsregelungen, die das Land nur zur Abmilderung von Übergangshärten vorgesehen hat. „Diese werden zukünftig jedoch wahrscheinlich nach der Kommunalwahl 2016 entfallen“, so Kaltwasser.            

Die Grundfehler des Systems werden durch diese Übergangsregelungen teilweise verdeckt, aber nicht beseitigt. Denn den Kommunen bleiben nach wie vor rund 900 Mio. € allein für die Wahrnehmung der Pflichtaufgaben vorenthalten. Dazu werden sie gezwungen sein, die Steuern zu Lasten ihrer Bürgerinnen und Bürger weiter zu erhöhen und drastische Sparmaßnahmen zu ergreifen. 

Die Bürgermeisterin und Bürgermeister des Landkreises Bergstraße warnen die Landespolitik, insbesondere auch ihre Landtagsabgeordneten, daher eindringlich: 
„Stopp, ihr nehmt unseren Bürgerinnen und Bürgern noch das letzte Hemd!, heißt es abschließend.