Frankfurt: Stadtnotizen

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Wahrzeichen erstrahlt wieder mit goldenem Adler auf der Spitze

Sachsenhäuser Warte erhält rekonstruierte Wetterfahne zurück

(ffm) Der Wartturm der Sachsenhäuser Warte hat seine charakteristische Spitze zurückerhalten. Die Warte ziert nun eine Rekonstruktion der originalen Wetterfahne aus dem späten 19. Jahrhundert. Mit dem Aufsetzen des Adlers mit Windrichtungspfeil erreicht das Sanierungs- und Modernisierungsprojekt rund um die Sachsenhäuser Warte einen kleinen und bedeutenden Meilenstein. „Ich wünsche mir, dass nicht nur die Wetterfahne in neuem Glanz erstrahlt, sondern die gesamte historische Anlage“, sagt Jan Schneider, Dezernent für Bau und Immobilien.

Das Original der Wetterfahne wurde Anfang des Jahres bei einer Begehung im Innenraum des Wartturms entdeckt. Das Amt für Bau und Immobilien geht davon aus, dass die Wetterfahne nach einer Vermietung abmontiert und im Turm abgelegt wurde, um auf der Spitze eine Antennenanlage zu installieren.

Das Sachsenhäuser Original ist wahrscheinlich die letzte existierende Wetterfahne in Frankfurt. Der Adler an der Spitze wurde aus Zink gegossen. Das Original wird derzeit restauriert und soll im Anschluss an die geplante Sanierung des gesamten Ensembles Sachsenhäuser Warte im Innenraum des Turms öffentlich ausgestellt werden. Allen fünf historischen Warttürmen der Stadt wurden einst solche Adler als Wetterfahnen aufgesetzt.

Die Rekonstruktion der Wetterfahne zeigt den Frankfurter Adler in Gold auf einem Zylinder aus Stahl und Blech. Während sich der Wetterpfeil mit dem Wind dreht, ist der Adler selbst statisch. Sein Blick ist nach Süden ausgerichtet. Die Dachspitze der Warte wurde statisch verstärkt, um die Konstruktion sicher zu tragen. Die Konstrukteure gehen davon aus, dass die Wetterfahne problemlos 100 Jahre übersteht.

Schon seit den siebziger Jahren repräsentierte die Sachsenhäuser Warte als gastronomischer Betrieb die Frankfurter Küche. Außerdem diente sie als Versammlungsstätte im Stadtteil und prägte damit das Stadtbild Sachsenhausens. Bei der Bestandsaufnahme der technischen und baulichen Zustände, die im Jahr 2011 begonnen hatte, wurde festgestellt, dass der Gebäudezustand nicht mehr mit den üblichen Bauunterhaltungsmaßnahmen instandgehalten werden kann. Zudem wurde der Gastronomiebetrieb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht. Der Betrieb der Warte musste folglich Anfang 2017 eingestellt werden.

Das Aufsetzen der neuen Wetterfahne gleicht einem Spatenstich und sendet nun ein positives Signal für die Sanierung und Modernisierung der Warte. Zur Debatte stehen zwei Varianten mit unterschiedlichem Aufwand, die den Stadtverordneten zur Entscheidung vorgelegt werden sollen. Schneider favorisiert die große Lösung, die sich an den historischen Zustand anlehnt und den Ausbau des Dachgeschosses sowie die Aufstockung des Hauptgebäudes vorsieht. Das Amt für Bau und Immobilien hat bereits Erkundungen des Bestandes unternommen und es wurden erste Rückbauten im ehemaligen Forsthaus und im Hof vorgenommen. Mit der großen Lösung würden sowohl die ursprünglichen und historischen Pläne aufgegriffen, als auch die neuen erforderlichen Flächen für die Wiederaufnahme des Betriebs der Warte geschaffen werden.

Oberbürgermeister Peter Feldmann: Tarifvertrag und Betriebsratsgarantie bei Ryanair sind wichtige Erfolge

(ffm) „Es ist ein wichtiger Erfolg von Verdi, dass für die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter bei Ryanair nun ein Tarifvertrag geschlossen wird und die Bundesregierung die Betriebsratsgarantie einführen wird“, sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann, der die Tarifkommission von Verdi bei Ryanair als Pate begleitet hat. Tarifverträge und Betriebsräte seien untrennbar mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Landes verbunden. „Sie stehen für das Leitbild ‚Gute Arbeit‘“, so der Oberbürgermeister.

„Wenn ein Unternehmen von Deutschland aus operiert, muss es sich auch an das deutsche Arbeits- und Sozialrecht halten, dazu gehört selbstverständlich Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz. Dies haben Verdi und die mutigen Beschäftigten bei Ryanair gemeinsam erkämpft“, sagt Feldmann, der die streikenden Beschäftigten in Frankfurt mit einem Besuch unterstützt hat.

Mit dem Abschluss wird zum ersten Mal für die rund 1000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter bei Ryanair in Deutschland ein Tarifvertrag gelten, der mit einer deutlichen Gehaltssteigerung und einer Absicherung nach deutschem Arbeits- und Sozialrecht verbunden ist. Der Tarifvertrag umfasst auch die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bei Ryanair.

Darüber hinaus hat Verdi von der Bundesregierung eine gesetzliche Betriebsratsgarantie für fliegendes Personal gefordert. Bisher sah die Regelung aus dem Betriebsverfassungsgesetz dies nur vor, sofern es im Tarifvertrag verankert ist. Am 15. November hat das Kabinett beschlossen, diese Gesetzänderung bis zum Ende des Jahres auf den Weg zu bringen und Crewmitglieder durch die Betriebsratsgarantie zu schützen.

Das Pilotprojekt zur ‚Qualifizierung von Geflüchteten zu Fahrern für die Entsorgungslogistik‘ geht nach erfolgreichem Start in die nächste Phase

(ffm) Stadträtin Daniela Birkenfeld, Conrad Skerutsch, Geschäftsführer der FRAP Agentur gGmbH, und Benjamin Scheffler, Geschäftsführer der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH, ziehen gemeinsam drei Monate nach dem offiziellen Start des Pilotprojekts eine erste Bilanz.

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation stellt Unternehmen und Personalverantwortliche vor große Herausforderungen. „Wir haben in Frankfurt einen vergleichsweise anspruchsvollen Arbeitsmarkt, auf dem man ohne Qualifikation nicht weiterkommt. Wenn wir die Frankfurter Arbeitgeber, die händeringend Fachkräfte suchen, mit motivierten Geflüchteten zusammenbringen wollen, müssen wir also bei deren Qualifikation ansetzen. Je passgenauer dabei die Qualifizierung erfolgt, umso wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche und dauerhafte Integration“, sagt Birkenfeld.

Deshalb startete am 1. August ein Pilotprojekt, das Geflüchtete als Berufskraftfahrer qualifiziert und weiterentwickelt. „Der hohe Personalbedarf an LKW-Fahrern im Bereich der Entsorgungslogistik hat uns kreativ werden lassen. Gemeinsam mit der FES haben wir ein Qualifizierungsverfahren konzipiert und uns den berufssprachlichen Anforderungen erfolgreich gestellt“, sagt Skerutsch.

Mit Projektbeginn erhielten die Teilnehmer des Pilotprojekts eine berufssprachliche Vorbereitung im Lernzentrum der FRAP Agentur, im Anschluss werden die Teilnehmer berufsbegleitend von der FES qualifiziert. „Pragmatische und passgenaue Programme wie diese sind eine Win-win-Situation für uns und die Stadt. Unsere anfängliche Skepsis aufgrund der sprachlichen Hindernisse ist schnell gewichen und die ersten positiven Erfahrungen sprechen für sich“, sagt Scheffler. Die FES GmbH hat bereits in der Vergangenheit eine große Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt integriert. Auch im Bereich der Nachqualifizierung ihrer Hilfskräfte konnten sie viele Erfolge verzeichnen.

Inzwischen haben die ersten drei von sechs Teilnehmern Anfang November das Einstiegspraktikum erfolgreich absolviert und einen ersten befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben. Auch die zweite Projektgruppe ist Mitte September mit weiteren drei Teilnehmern erfolgreich gestartet – ebenfalls mit dem Ziel, in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überzugehen. Beide Gruppen sollen bis Mitte 2019 weiterhin eng begleitet und qualifiziert werden. Die Qualifizierungsteilnehmer und ihr Betreuer Matthias Geis berichten von positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit.

Für einen erfolgreichen Arbeitsmarkt, glauben Skerutsch und Scheffler, ist es unerlässlich, den Blick immer wieder auf praktische und zielgenaue berufliche Einstiegsprogramme zu richten. Skerutsch freut sich, wenn noch mehr Unternehmen Interesse zeigen und mit der FRAP Agentur Kontakt aufnehmen, um weitere Qualifizierungsprojekte für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund zu konzipieren.

Die FRAP Agentur – Gemeinnützige Gesellschaft für das Frankfurter Arbeitsmarktprogramm mBH – ist ein stadtnahes Unternehmen und organisiert im Auftrag des Magistrats das Frankfurter Arbeitsmarktprogramm für über 25-jährige Bürgerinnen und Bürger. Zu erreichen ist die FRAP Agentur Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, Donnerstag von 8 bis 19 Uhr, Freitag von 8 bis 15 Uhr unter der Rufnummer 069/68097-150 oder per E-Mail an info@frap-agentur.de .

Die ‚Ehrenamtspost‘ ist da!

(ffm) Für eine gute Vernetzung und einen besseren Austausch zwischen den Ehrenamtlichen, den Organisationen und Vereinen sowie ehrenamtlich Interessierten hat der Fachbereich Ehrenamt und Stiftungen einen Newsletter entwickelt. Die Ehrenamtspost soll über Aktuelles rund ums Ehrenamt und aus dem Fachbereich informieren, aber auch Neuigkeiten aus den Organisationen thematisieren und bevorstehende Veranstaltungen, Ausschreibungen und Aktionen bewerben.

Der Newsletter soll zukünftig alle zwei Monate erscheinen. Wer Interesse an der „Ehrenamtspost“ hat, kann sich per E-Mail an ehrenamt@stadt-frankfurt.de anmelden und erhält dann automatisch den Newsletter zugeschickt.

Neuer Außenzaun für den Holzhausenpark

(ffm) Der Holzhausenpark bekommt einen neuen Außenzaun. Die ersten Arbeiten dazu haben am Montag, 19. November, mit dem Abbau des alten Jägerzauns begonnen, zunächst an der Fürstenbergerstraße und der Hammanstraße.

Nach dem Abbau soll eine Kampfmittelsondierung entlang der gesamten Außengrenze Aufschluss über mögliche im Boden liegende Munition aus dem Zweiten Weltkrieg geben. Erst danach wird der neue Staketenzaun aus Metall aufgebaut.

Um die Arbeiten ungehindert durchführen zu können, müssen die jeweiligen Parkplatzstreifen zeitweise gesperrt und freigehalten werden. Mitte Dezember sollen die Arbeiten in der Fürstenbergerstraße und der Hammanstraße abgeschlossen sein. Die Arbeiten an der Holzhausenstraße beginnen voraussichtlich nach den Weihnachtsferien.

Anpassung der Eintrittspreise ab Januar 2019

Ab dem 1. Januar 2019 gelten neue Preise für Tageskarten. Die Preise für Jahreskarten bleiben unverändert. Für das erste Halbjahr 2019 ist die Einführung von Online-Tickets geplant.

Zum Jahreswechsel hebt der Zoo seine Preise für Tageskarten moderat an. Erwachsene zahlen 12 Euro (bisher 10 Euro), Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren sowie Ermäßigungsberechtigte zahlen 6 Euro (bisher 5 Euro), Familien mit zwei Erwachsenen und bis zu vier Kindern zahlen 29 Euro (bisher 25 Euro).

Die Preise für Jahreskarten bleiben stabil bei 60 Euro für Erwachsene, 25 Euro für Kinder und Ermäßigungsberechtigte sowie 90 Euro für Familien.

Die Preisanpassung ist notwendig aufgrund von gestiegenen Kosten vor allem für Energie, Infrastruktur und Futtermittel. „Aber auch nach der Anhebung sind die Eintrittspreise in den Frankfurter Zoo im Vergleich mit anderen Zoos günstig. Kinder unter sechs Jahren zahlen auch weiterhin keinen Eintritt und die Konditionen für Inhaber des Frankfurt-Passes bleiben mit 1 Euro für Erwachsene und 50 Cent für Kinder ebenfalls stabil“, so Zoodirektor Dr. Miguel Casares.

Für 2019 kann Casares die Einführung eines Webshops für Online-Tickets in Aussicht stellen: „Der Starttermin steht noch nicht fest, aber nun kann es nicht mehr lange dauern, bis es möglich ist, sich zuhause oder von unterwegs aus Tageskarten für den Zoo online zu kaufen. Sowohl mit den ausgedruckten Tickets als auch mit dem Ticket auf dem Smartphone wird man dann den Zoo über einen eigens dafür eingerichteten Zugang betreten können.“

Die letzte Anpassung der Zooeintrittspreise fand im Juni 2013 statt.

Weitere Eintrittspreise ab dem 1. Januar 2019 in der Übersicht: Gruppenpreise (gültig ab 15 Personen, eine Begleitperson frei)

  • Erwachsene: 10 Euro
  • Kinder (6-17 Jahre) und Ermäßigungsberechtigte: 5 Euro

Feierabendtarif (gültig zwei Stunden vor Zooschließung)

  • Erwachsene: 9 Euro
  • Kinder (6-17 Jahre) und Ermäßigungsberechtigte: 4 Euro

Der andere Blick auf Schulessen: die Mensa als kulturelle Arena der Schüler/-innen

Frankfurt University of Applied Sciences

Essens- und Körperforscherin Prof. Dr. Lotte Rose von der Frankfurt UAS nimmt Stellung zum Schulessen und erklärt, was dabei mit den Kindern und Jugendlichen passiert

Frankfurt am Main, 19. November 2018. Für Prof. Dr. Lotte Rose, Essens- und Körperforscherin an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) steht fest: Das Schulessen steht unter öffentlicher Beobachtung, seit immer mehr Kinder in Deutschland mittags in der Schule verköstigt werden. „Regelmäßig gibt es skandalisierende Medienmeldungen zu Preisdruck, schlechter Gesundheits- und Geschmacksqualität der Verpflegung, geringen Nutzungszahlen und Kritik an der Versorgung durch industrielle Groß-Caterer“, so Rose. Erst im Frühjahr dieses Jahres kam es in Frankfurt am Main zum öffentlichen Schüler/-innen-Aufstand, als in einer Schule ein kleiner Gastronomie-Betrieb, der dort jahrelang zur Zufriedenheit aller gekocht hatte, durch den weltweit agierenden Konzern Sodexo ersetzt wurde. „Gleichzeitig sind staatlicherseits die Bemühungen groß, die Verpflegungsqualität zu optimieren und Schulverpflegung als Gesundheitserziehungsmaßnahme zu nutzen“, betont Rose. Qualitätsstandards für Menüpläne und Küchenhygiene sind von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung definiert, Vernetzungsstellen für Schulverpflegung in den Bundesländern sollen Schulen bei der Umsetzung helfen. 2016 richtete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (NQZ) ein, das koordinierende und beratende Aufgaben für die Gemeinschaftsverpflegung in pädagogischen Einrichtungen auf Bundesebene hat. Flankierend dazu erfassen ernährungswissenschaftliche Evaluationsstudien mit standardisierten Instrumenten fortlaufend Rahmenbedingungen, Gesundheitsqualität und Kundenzufriedenheit des Schulessens. Charakteristisch ist für Rose bei der derzeitigen medialen, politischen und wissenschaftlichen Diskussionen zum Schulessen, dass erwachsene Expertinnen und Experten diverser Disziplinen und Interessensfraktionen verhandeln, wie das Schulessen idealerweise sein sollte. Wenig Aufmerksamkeit gibt es jedoch bislang dafür, was das Schulessen eigentlich für junge Menschen bedeutet.

Was erleben Schülerinnen und Schüler in der Mensa, wie eignen sie sich diesen Raum an und wie ‚bespielen‘ sie ihn, was tun sie miteinander und mit den Speisen und welche Rolle spielen bei alledem die erwachsenen Fachkräfte? Diesen Fragen ging das Forschungsprojekt „Doing Gender und Doing Diversity am Mittagstisch. Eine Untersuchung von Verpflegungssituationen in pädagogischen Einrichtungen“ nach, das von 2011 bis 2014 an der Frankfurt UAS durchgeführt und mit einem studentischen Lehrforschungsprojekt verbunden war. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst förderte das Projekt unter der Leitung von Lotte Rose und Rhea Seehaus. An sechs Schulstandorten wurden teilnehmende Beobachtungen des Mittagessens durchgeführt und ethnografisch dokumentiert. Darunter waren Versorgungssettings der Mensa, aber auch des betreuten Essens in Gruppen, wie es für die ersten Klassenstufen verbreitet ist. Ziel war, den profanen Praxisalltag empirisch zu erfassen und das akribisch zu beschreiben, was sich in den Verpflegungssituationen als soziale Routinen vollzieht. „Getragen war dieser Blick von der kindheitstheoretischen Idee, dass es sich beim Schulessen um einen Schulraum handelt, der, wie Klassenzimmer, Schulhof, Flure, Toiletten und Umkleiden und Schulbushaltestelle, ein Ort von eigensinniger Kinder- und Jugendkultur ist. Schülerinnen und Schüler versuchen hier wie an den anderen Schulorten auch, ihr ‚eigensinniges Leben‘ durchzusetzen – innerhalb der bestehenden institutionellen und pädagogischen Rahmungen, aber auch oft genug gegen diese“, erläutert Rose.

Es wurde ethnografisch eingefangen, was Speisen, Räume und Möbel als ‚stumme Akteure‘ des Schulessens mit Schülerinnen und Schülern ‚machen‘ und wie sich Schülerinnen und Schüler mit ihnen arrangieren und sie kreativ ‚umnutzen‘. Eine große Rolle haben hierbei Spieltätigkeiten inne. Das Spielrepertoire ist reichhaltig und umfasst den gesamten Fundus der klassischen Kinderspiele wie Sprach-, Klatsch- und Singspiele, Fantasie- und Rollenspiele, aber auch Spiele mit Tischgegenständen und Körper- und Bewegungsspiele. Zudem wird auch das Essen selbst zur Spielressource. Es wird ausprobiert, wer wieviel in welcher Geschwindigkeit verschlingt, ob eine Kartoffel auch ohne Kauen runtergeschluckt werden kann, wann der Hähnchenknochen bricht. Speisen werden auf dem Teller ‚umgearbeitet‘, z.B. beim Zermatschen der Kartoffeln mit Ketchup, oder sie werden gänzlich ungenießbar gemacht, z.B. durch Verunreinigungen.

Beobachtet wurden zudem die Konversation am Tisch sowie Konflikte in der Peergroup und zwischen den Generationen. „Die Frage, wer wo mit wem beim Mittagessen sitzt, erweist sich als hochrelevant und gleichzeitig als diffizile Herausforderung. In kürzester Zeit müssen schließlich Tischpartner/-innen gefunden, Stühle und Tische reserviert und gleichzeitig das Essen organisiert werden – eine sozial stressende Situation, die jeden Tag neu bewältigt werden muss“, betont Rose. Die Forschungsgruppe hat auch untersucht wie Gesundheit als normative Leitfigur des Schulessens argumentativ ‚aufgestellt‘ und was aus dieser Leitfigur im banalen Praxisalltag des Schulessens wird. So sei feststellbar, dass das Gebot des Wassertrinkens erfolgreich durchgesetzt ist, das Gemüse als Gesundheitssymbol aber zwischen den Generationen sozial umkämpft bleibt: Kinder verweigern sich, während Erwachsene sich alle Mühe geben, die Kinder davon zu überzeugen, das Gemüse zu essen.

Symptomatisch seien die beiden Formate des Schulessens: Es gibt zum einen das von Erwachsenen betreute Essen an einer gemeinsamen Tafel für die Jüngeren, zum anderen das kantinenförmig organisierte Mensa-Essen für die Älteren. Das erste Format ist stark bestimmt durch das Ideal des kollektiven Mahls nach bürgerlich-familialem Vorbild. Dazu gehört das Händewaschen vor dem Essen, die gemeinsame Versammlung am Tisch, das Auftragen der Speisen in großen Schüsseln, aus denen sich die Einzelnen selbst bedienen, der gemeinsame Beginn des Verzehrs nach einem kollektiven Ritual und ein geregeltes Ende der Mahlzeit. Erwachsene überwachen hier engmaschig und relativ streng Sitte und Anstand am Tisch. Sie weisen an, mahnen, rufen zur Ruhe auf, regulieren die Konversation, sanktionieren und animieren zum Essen, wenn die aufgetischte Speise nicht schmeckt. Die Mensa folgt demgegenüber einem individualisierteren und liberaleren Modus. Die erwachsenen Betreuungspersonen haben sich hier zurückgezogen und sichern nicht mehr wie beim betreuten Essen die Gemeinsamkeit des Essens ab. Vielmehr sind Schülerinnen und Schüler sich selbst überlassen, was die Gestaltung des Essens betrifft. Es finden sich zwar noch Essensgruppen zusammen, aber alles ist informeller. Man kommt und geht, beginnt zu essen, wenn man seinen Platz hat, steht auf, wenn man will. Auch die Manieren sind unkonventioneller: Es wird gespielt, gestritten, geärgert, gealbert, geschrien, Essen wird verschenkt, geteilt, geklaut, verunreinigt oder auf dem Teller zurückgelassen. „Während bei den Jüngeren noch viel institutioneller Aufwand betrieben wird, bürgerliche Essenserziehung und ein gesittetes Mahl abzusichern, wird den Älteren ein kontrollfreier und deregulierter Essensraum zugestanden, dessen Organisationsform pragmatisch der Konsumlogistik der Betriebskantine folgt. Erzieherische Ansprüche sind hier verschwunden. Die Jüngeren erscheinen als unzivilisierte Wesen, die deshalb der strengen Führung beim Essen bedürfen. Den Älteren wird demgegenüber unterstellt, dass sie über die entsprechenden Selbststeuerungskompetenzen bereits verfügen und von daher keiner Reglementierungen beim Essen mehr bedürfen“, erklärt Rose, wobei sie sich die Frage stellt, ob Schule vielleicht auch einfach nur der beständigen Disziplinarprozeduren „müde“ ist und die Älteren deshalb beim Essen in die „Freiheit“ entlässt?

„Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden von uns in einem Buch vorgelegt. Entstanden ist eine umfassende ethnografische Sozialreportage zu den Vorgängen beim Schulessen, die nicht evaluieren, sondern schlicht erzählen will von dem, was sich an den Ausgabetheken und Tischen ereignet. Unser Anliegen ist, dafür zu sensibilisieren, dass Schulessen sehr viel mehr und anderes ist als ein nutritives Verpflegungsereignis“, betont Rose.

Lotte Rose, Rhea Seehaus (Hrsg.): Was passiert beim Schulessen? Ethnografische Einblicke in den profanen Verpflegungsalltag von Bildungsinstitutionen, Springer VS Verlag, Wiesbaden 2019, 284 Seiten, 39,99 €, ISBN: 978-3-658-07304-6, erschienen: 23.10.2018

Zur Person:

Prof. Dr. Lotte Rose ist Erziehungswissenschaftlerin und seit 1997 Professorin der Frankfurt UAS am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Genderforschung, Kindheitsforschung, Elternschaftsforschung und Essensforschung (Human Animal Studies und Fat Studies). Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen das Essen in der Heimerziehung, Elternbildung zur Säuglingsernährung und biografische Erzählungen von Menschen mit hohem Körpergewicht. Rose ist Mitbegründerin des erziehungswissenschaftlichen Netzwerkes “EssensPaed” und Mitglied in der DFG-Forschungsgruppe zu Fat Studies.