Mannheim/Heidelberg: Eine erfolgreiche Ära geht zu Ende – Bilanz des 68. Internationalen Filmfestivals

Das Festivalzelt in Heidelberg in der Nacht (Foto: Sarah Kohl)
Das Festivalzelt in Heidelberg in der Nacht (Foto: Sarah Kohl)

Mannheim / Heidelberg – Nach 11 Tagen endete das 68. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg am Sonntag, 24. November 2019, mit der Vorstellung von „Aurora“ von Regisseurin Miia Tervo aus Finnland. Das Festival hat sich erneut als Publikumsmagnet der besonderen Art erwiesen, als intensives Forum der Begegnung sowohl des Publikums mit den Filmkünstler*innen wie der weltweit angereisten Regisseur*innen untereinander. Die soziale-kulturelle Funktion ist Festivaldirektor Dr. Michael Kötz und seinem Team dabei ebenso wichtig wie die Qualität der sorgsam ausgewählten Filme.

Mit der letzten Vorstellung in Heidelberg endet auch nach 28 Jahren die erfolgreiche Ära von Dr. Michael Kötz als Festivaldirektor, die 1992 begann. „Das Mannheim-Heidelberg Filmfestival ist für mich wie ein Kind, das man groß gezogen hat, mit vielen Widrigkeiten aber auch großen Erfolgen. Das abzugeben fällt schwer, obwohl die Festivalarbeit ja in Ludwigshafen weitergeht“, so Dr. Michael Kötz im Interview.

Unter seiner Leitung wurde nicht nur das einzige reine Newcomer-Festival in Deutschland seinerzeit vor der Schließung bewahrt, weil es mit Heidelberg als Zwei-Städte-Festival abgesichert werden konnte. Das Festival schlug auch eine Richtung ein, die als „Wunder von Mannheim-Heidelberg“ bekannt wurde. Dr. Michael Kötz ist es gelungen – gegen einen sich abschottenden Avantgardismus – ein aktiv teilnehmendes Publikum in großer Zahl auch für ganz unbekannte Filme in fremden Sprachen und Kulturen zu gewinnen, indem er konsequent die humane Kompetenz des gesamten, sorgfältig kuratierten Programms in den Mittelpunkt rückte.

Die Filme seien „immer mehr Spiegel als Fluchtpunkt“ gewesen, haben „echte Autorenschaft erkennen lassen. Eine humane Haltung war der Daumenabdruck des Festivals“, wie Dr. Peter Kurz, OB der Stadt Mannheim in seiner Hommage ausdrückte.

Zu dieser Haltung gehörte für Dr. Michael Kötz, dass er den persönlichen Kontakt zu Publikum und Filmemacher suchte. Er kannte alle Filme und verblüffte die Newcomer-Regisseur *innen aus aller Welt mit seiner Sachkenntnis. Er nahm die jungen Filmemacher*innen ernst, brachte ihnen Wertschätzung entgegen und behandelte sie auf ihrem ersten Festivalauftritt wie Stars. Kötz bezog das Publikum in Mannheim-Heidelberg in den filmischen Diskurs ein, vermittelte auch anspruchsvolle Themen und Formen, ohne den Kontakt zu verlieren. Die legendären Filmtalks, die er aus dem Kino heraus in einen eigens dafür geschaffenen Raum verlegte, um keine zeitliche Limitierung zu haben, waren bei Filmemacher*innen und Kinobesucher*innen geschätzt und dauerten oft so lang wie der Film selbst.

Dr. Michael Kötz verließ die klassischen Kinos und schuf im Mannheimer Stadthaus und in einer temporären Zeltstadt an unterschiedlichen Orten Heidelbergs festlich hergerichtete Orte, die zur Rezeption und Diskussion anregten. Man war unter sich, in direktem Kontakt zu den Filmemacher*innen und dem Festivalteam. Die Mischung stimmte. Parallel dazu gab es immer rein fachinterne Treffen. Der „Mannheim-Meeting-Place“, kurz MMP, der die früher sehr groß angelegten „Mannheim Meetings“ ablöste, förderte unter der Leitung von Julek Kedzierski mit einem einzigartigen Modell gezielt junge internationale Startup-Produzenten. Das passte zum Programm. Es sorgte für weltweite Netzwerke, Freundschaften und professionelle Kooperationen, die am zentralen Ort im Mannheimer Stadthaus bis in die frühen Morgenstunden geknüpft und gepflegt wurden.

2019 begrüßte das Festival 238 internationale Gäste, darunter Schauspieler*innen, Regisseur*innen und Produzent*innen aus aller Welt. Insgesamt fanden 282 Filmvorführungen statt, in 161 Filmtalks diskutierten die Filmemacher*innen nach den Vorführungen mit dem Publikum im Mannheimer Stadthaus – hier ist der Ratssaal besonders beliebt – und in der Kinozeltstadt auf dem Messplatz in Heidelberg. Da nach dem Heidelberger Schloss und zuletzt den Campbell Barracks seitens der Stadt Heidelberg leider nur noch der sehr unwirtliche Messplatz zur Verfügung gestellt wurde, kamen im Vergleich zu den vorherigen Standorten in Heidelberg über 20 Prozent weniger Besucher*innen zum Festival. Am Ende werden daher etwa 35.500 Tickets verkauft worden sein, 2.500 Kinder die große Leinwand erlebt haben und inklusive der 9.000 Eintritte der Fachbesucher*innen wird die 68. Ausgabe des Festivals rund 47.000 Filmbesuche insgesamt gehabt haben.

Beim zehnten „Mannheim Meeting Place“ unter Leitung von Julek Kedzierski waren 27 Teilnehmer aus 18 Ländern zu Gast, die Koproduktionspartner für ihre neuen Filmprojekte trafen. Der MMP ist darauf spezialisiert Startup-Produzent*innen zu einem erfolgreichen Einstieg in die komplexe Filmwelt zu verhelfen.

Das 69. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg ist für den 12. – 22. November 2020 geplant und findet unter neuer Leitung mit neuem Team statt. Das Team sagt Danke für die gemeinsame Zeit und verabschiedet sich aus Mannheim-Heidelberg und freut sich auf ein mögliches Wiedersehen da oder dort.