Wie aus einem Studentenprojekt das weltweit größte Festival für japanischen Film wurde

Nippon Connection und das Geheimnis ihres Erfolgs

Marion Klomfaß präsentiert das diesjährige Veranstaltungsplakat

Frankfurt am Main – Vor 15 Jahren wollten Marion Klomfaß und Holger Ziegler an der Goethe-Uni Filme aus Fernost zeigen. Mit ein paar Hundert Gästen hatten sie gerechnet, es wurden Tausende. Heute kommen mehr als 15.000 Leute, um bei Nippon Connection Filme zu sehen und eine gute Zeit zu haben. Ganz nebenbei lernen sie dabei die japanische Kultur kennen. Marion Klomfaß erzählt, was das Festival so erfolgreich macht.

Es gibt Leute, die reichen extra Urlaub ein. Marion Klomfaß hört immer mal wieder solche Geschichten. Etwa beim Einkaufen, wenn sie von vermeintlich Fremden angesprochen wird:

„Sie sind doch die Leiterin von Nippon Connection. Ich finde das Festival so toll. Ich nehme mir immer frei dafür“,

erzählte ihr eine Frau in der Apotheke. Die Begeisterung, der Dank – sie schmeicheln Marion Klomfaß, sind ihr aber auch ein bisschen unangenehm. Die Frankfurterin steht nicht gern im Mittelpunkt. Und sie ist, darauf legt sie großen Wert, auch nicht die einzige, die das weltweit größte Festival für Japanischen Film, das dieses Jahr vom 2. bis 7. Juni 2015 gefeiert wird, organisiert. Aber: Sie ist die Initiatorin. Ohne Marion Klomfaß kein Nippon Connection.

Aus klein wird riesig

Angefangen hat alles ganz klein. Beziehungsweise: Was klein gedacht war, wurde schon bei der ersten Ausgabe im Jahr 2000 ziemlich groß. „Wir rechneten mit ein paar Hundert Gästen und wurden vollkommen überrannt“, erzählt Marion Klomfaß. 10.000 Besucher beim ersten Mal. Das schrie nach Wiederholung. 2002 ging Nippon Connection in Serie, seither findet das Filmfestival jedes Jahr statt – 2015 zum 15. Mal. Geplant hatte das niemand – Marion Klomfaß nicht, Holger Ziegler, ihr Kommilitone, mit dem sie Nippon Connection erfunden hat, auch nicht. Beide fanden japanische Filme interessant, beide hatten vorher bei anderen Festivals mitgewirkt, beide wussten, wie man Filme beschafft. „Wir dachten, das könne m! an doch auch mal an der Uni machen.“
Aus Zufall wird Berufung

Auf den asiatischen Film kam die damalige Filmwissenschaftsstudentin Ende der 90er Jahre über ihre Mitarbeit beim Exground-Filmfest in Wiesbaden, wo sie das Asienprogramm gestaltete. Dass sie sich auf den japanischen Film spezialisieren würde, war Zufall.

„Ich hatte einen Flug nach Japan gewonnen, aber niemanden gefunden, der mich begleiten konnte“,

sagt Marion Klomfaß. Also reiste sie allein, besuchte das Tokio Filmfestival und das Dokumentarfilmfestival in Yamagata, sah Filme, traf Leute. „Nach der Reise war ich endgültig von Japan begeistert.“ Es sind die Menschen, die Architektur, die Kunst, das Essen, die Widersprüche von Tradition und Moderne, die Marion Klomfaß faszinieren. Inzwischen besucht ! sie Japan ein- bis zweimal im Jahr – fürs Festival, nicht fürs Privatvergnügen, dazu bleibt kaum noch Zeit – und dennoch verstehe sie einiges nicht und sehe vieles, was sich zurzeit in Japan tut, kritisch.

Aus gut wird böse

Japan sei ein reiches Filmland, rund 600 Produktionen gebe es pro Jahr.

„Vieles wird für den heimischen Markt gedreht, diese Filme sind für uns weniger interessant“,

sagt Marion Klomfaß. Was interessant ist? Filme von unabhängigen Regisseuren, die sich in ihrer Erzählweise vollkommen von dem unterscheiden, was deutsche Kinos gewöhnlich zeigen. Japanische Filmemacher seien in allen Genres zu Hause, ob Action, Independent, Animation, ob im Experimental- oder Gangsterfilm. Doch selbst wenn ein Genre einen bestimmten Ausgang einer Geschichte vermuten lässt, werden die Zuschauer immer wieder überrascht: Am Ende ist nicht alles gut, vielleicht aber auch nicht alles schlecht. Plötzlich kommen die guten Seiten eine! s Bösewichts zum Vorschein. Der Film schließt mit einem offenen Ende oder mit zwei verschiedenen Enden. Oder man denkt, der Film sei zu Ende und er geht noch 20 Minuten weiter.

Aus Kino wird Kulturvermittlung

16.000 Gäste kamen im vergangenen Jahr zu Nippon Connection. Das Geheimnis des Erfolgs? Beim Festival geht es nicht nur um Filme, die deutsche Zuschauer auffordern, ihre Sehgewohnheiten beiseite zu legen. Es geht um die japanische Kultur mit all ihren Facetten. Kochkurse, Workshops, Ausstellungen, Konzerte, Karaoke-Partys, ein Kinderprogramm, ein kulinarischer Rundgang durch Frankfurt – Nippon Connection spielt sich nicht nur in Kinosälen ab. Marion Klomfaß:

„Ich habe mich gefragt, wie ich Leute bewegen kann, sich japanische Filme mit englischen Untertiteln anzuschauen.“

Nur mit Filmvorführungen und anschließenden Kritiker-Gesprächsrunden, wie bei vielen anderen Festivals üblich, nicht. Das wa! r den beiden Erfindern von Anfang klar.

„Wir wollten einen Ort schaffen, an dem die Gäste sich treffen können, reden, feiern, Spaß haben.“

Schon bei der ersten Ausgabe vor 15 Jahren gab es ein Rahmenprogramm. Noch heute, erzählt Marion Klomfaß, kämen Besucher wegen der Partys, der Begegnungen, des Essens – und darüber dann auch auf den Geschmack japanischer Filme.

Aus Besuchern werden Nachahmer

Anerkennung für das Festival bekommt Marion Klomfaß nicht nur in Frankfurt, sondern auf der ganzen Welt. Der japanische Außenminister zeichnete sie vor zwei Jahren für ihr Engagement um den japanisch-deutschen Kulturaustausch aus. In Toronto und New York, in Holland und in England wird Nippon Connection nachgeahmt. Manche dieser Feste haben sich mit den Jahren verkleinert, nicht alle haben überlebt. Nippon Connection dagegen wächst und entwickelt sich stetig weiter.

„Natürlich diskutieren wir auch kontrovers, verlieren uns aber nicht in Streitigkeiten“,

sagt Marion Klomfaß. Vielmehr entstünden immer wieder neue Ideen, was man noch alles machen könne. Manche Dinge kämen ganz unerwartet auf die Organisatoren zu. Wie in diesem Jahr das Sponsoring von Lufthansa. Zum 15. Jubiläum wird erstmals der von Lufthansa gestiftete Nippon Honor Award an einen renommierten japanischen Filmschaffenden verliehen. Der Preis geht dieses Jahr an den japanischen Starschauspieler Tadanobu Asano.

Aus Studentenprojekt wird Profession

Seit zwei Jahren findet Nippon Connection nicht mehr in der Uni statt, sondern im Mousonturm und im Theater Willy Praml in der Naxoshalle. Dieses Jahr kommt das Theater Die Käs als neue Spielstätte dazu. Rund 200.000 Euro kostet das Festival, finanziert aus Fördergeldern, Sponsoring und Einnahmen aus dem Ticket- und Gastroverkauf. 70 Ehrenamtliche, die in verschiedenen Teams arbeiten, stemmen es, weitere 100 ehrenamtliche Helfer werden für die Festivaltage engagiert. Für Gründerin Marion Klomfaß ist Nippon Connection ein Vollzeitjob, den sie neben ihrer Vollzeitbeschäftigung als Cutterin beim Hessischen Rundfunk schmeißt. Ja, es gab auch schon Momente, da hatte sie genug. Doch wenn Marion Klom! faß daran denkt, wie aus ihrem Studentenprojekt eine professionelle Veranstaltung geworden ist, dass japanische Filmschaffende für Nippon Connection auf eigene Kosten nach Frankfurt kommen und Publikum aus ganz Deutschland, wenn sie von Leuten angesprochen wird wie der Dame in der Apotheke, dann kommt sie wieder, ihre Lust auf das Festival und alles, was dazugehört.

Anja Prechel

Weitere Informationen:

Mehr zum 15. Japanischen Filmfestival gibt es unter www.nipponconnection.de und in der Bürgerberatung, Römerberg 32. Hier liegt das Programm zum Festival aus.