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Die Energiewende in Deutschland bedeutet für die Industrie vielfältige Veränderungen sowie große Herausforderungen. Trotzdem ist die Zustimmung zu den Plänen hoch und viele Unternehmen befinden sich bereits mitten im Wandel. Es lohnt sich daher ein Blick auf den Status Quo, wie grün die deutsche Industrie bereits ist – und voraussichtlich in den kommenden Jahrzehnten sein wird.

Spätestens seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 wird in Deutschland von der Energiewende gesprochen, doch begonnen hat sie genau genommen schon viel früher. Bereits seit dem Jahr 1990 werden in Deutschland die erneuerbaren Energien aktiv gefördert und nur zehn Jahre später wurden sie im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankert. Auch der Atomausstieg wurde bereits im Jahr 2000 vereinbart, trotzdem wirft das Thema noch viele Fragen auf. Das Ziel: Energie soll bis zum Jahr 2022 vollständig atomfrei hergestellt werden können. Im Jahr 2011 folgten schließlich die Energiewende-Beschlüsse mit vielen weiteren Details, wobei Strom zukünftig vor allem nachhaltig aus Wind-, Wasser- und Solarenergie gewonnen werden soll. Auch Biomasse und Erdwärme gehören zu den erneuerbaren Energien. Sie alle sollen bis zum Jahr 2050 mindestens 80 Prozent der Strom und 60 Prozent der Gesamtenergieversorgung in Deutschland ausmachen. Der nächste Meilenstein, welcher in den kommenden Jahren ansteht, ist die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke bis zum Jahr 2022 sowie die Stromversorgung zu 40 bis 45 Prozent aus regenerativen Energien im Jahr 2025.

Deutsche Industrie unterstützt die Energiewende

Gerade die Industrie hat einen hohen Energiebedarf, schließlich entfallen rund 62 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland auf Industrie, Gewerbe sowie Handel; und somit bedeutet die Energiewende für sie die mitunter größten Veränderungen. Im Zuge der Energiewende standen daher Befürchtungen wie drastisch steigende Strompreise oder Versorgungslücken durch den Umstieg auf erneuerbare Energien im Raum. Dennoch ist die Zustimmung in Deutschland hoch, wenn es um die Energiewende geht, auch bei den Unternehmen. Rund drei Viertel der deutschen Firmen halten die Umstellung für richtig, so das Ergebnis einer Befragung durch den Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Wenig überraschend ist demnach, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien in vielen Unternehmen bereits jetzt – und somit Jahre vor der eigentlichen Frist – über das erforderliche Maß hinaus vorangetrieben wird.

Regenerative Energien in Deutschland: ein Überblick

Schon im Jahr 2019 stammten mehr als 17 Prozent des Brutto-Endenergieverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Beim Bruttostromverbrauch liegt ihr Anteil sogar bei über 42 Prozent, so die aktuellsten Zahlen. Den größten Beitrag zur Stromerzeugung leistet hierbei die Windenergie, obwohl die Windanlagen in Deutschland vergleichsweise wenig gefördert und ausgebaut werden. Deutlich mehr Aufschwung hat in den vergangenen Jahren die Solarenergie erlebt, sowohl im privaten als auch im industriellen Bereich. Zudem spielt die Biomasse nach wie vor eine wichtige Rolle. Erste positive Effekte dieser Entwicklung zeigen sich bereits jetzt in der Emissionsbilanz: Allein im Jahr 2019 wurden durch den Ersatz fossiler durch regenerative Energien rund 203 Millionen Tonnen an klimaschädlichen Treibhausgasen vermieden.

Chancen und Herausforderungen für die Industrie

Dass die Industrie die Entwicklung nicht nur mitträgt, sondern aktiv vorantreibt, liegt somit an drei Gründen: Erstens steht sie durch die Energiewende unter einem gewissen Druck, was die Umrüstung auf erneuerbare Energien angeht. Zweitens legen die Kunden immer größeren Wert auf „grüne“ Produkte, sprich Wertschöpfungsprozesse, die klimaschädliche Treibhausgase vermeiden, wozu ebenfalls die Umstellung auf erneuerbare Energien gehört. Drittens ergeben sich daraus aber auch Chancen und Potenziale, zum Beispiel für Kosteneinsparungen, die aus wirtschaftlicher Perspektive attraktiv sind. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Veränderung in der Kostenstruktur, welche mit der Energiewende in der Industrie einhergeht. Denn Energiekosten, allen voran die Stromkosten, sind zukünftig zunehmend fixkostenlastig, wohingegen der Anteil an variablen Kosten sinken wird. Das bedeutet: Die Kosten für die Energie werden besser zu kalkulieren und stabiler sein. Mehr Stromverbrauch bedeutet nicht zwangsweise auch höhere Stromkosten. Somit wird das heutige System, bei dem Steuern, Entgelte und Abgaben einen hohen Kostenfaktor für die Industrie ausmachen, zunehmend abgelöst durch eine autarke Energie- und Stromproduktion, zum Beispiel durch eine eigene PV-Anlage. Die eingesparten Kosten können dadurch in eine zusätzliche Wertschöpfung fließen.

Neue wirtschaftliche Potenziale durch die Energiewende

Die Energiewende betrifft somit jedes Unternehmen vom Pharmakonzern bis hin zum Maschinenbaubetrieb. Jedoch gibt es Firmen, die unmittelbar von den neuen Marktpotenzialen profitieren. Es handelt sich dabei um Unternehmen, die einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Wertschöpfung daraus ziehen, die Nutzung erneuerbarer Energien zu ermöglichen oder zu optimieren. So gibt es beispielsweise immer mehr Firmen, die sich auf eine individuelle Fertigung von Komponenten für die regenerative Energieerzeugung spezialisiert haben, zum Beispiel Trapezbleche für den Bau von Gebäuden, auf denen eine PV-Anlage installiert werden kann – aber auch rund um den Transport und die Speicherung der erneuerbaren Energien. Die Industrie profitiert daher sowohl direkt als auch indirekt von der Energiewende, weshalb diese tatsächlich freiwillig und schneller vorangetrieben wird, als zu Beginn von den Kritikern erwartet wurde.

Fazit: So „grün“ ist die deutsche Industrie tatsächlich

Zum Status Quo lässt sich also festhalten, dass die deutsche Industrie bereits jetzt vergleichsweise „grün“ ist. Trotzdem ist sie von ihrem Ziel, sämtliche Energie zu mindestens 60 Prozent aus regenerativen Quellen zu beziehen, noch weit entfernt. Aber ein Fortschritt ist zu erkennen und auch die Unternehmen lernen zunehmend, die Potenziale dieser Entwicklung für sich zu nutzen. Somit sind es eher die fehlenden Kapazitäten, die derzeit bremsend wirken. Doch da der Ausbau von Solaranlagen, Windkraftparks & Co bereits seit mehreren Jahrzehnten mit Nachdruck vorangetrieben wird, sind die Ziele im Rahmen der Energiewende durchaus realistisch. Interessant dürfte somit sein, in einigen Jahren, beispielsweise im Rahmen der nächsten Meilensteine 2022 und 2025, erneut einen Blick auf den aktuellen Stand zu werfen.