Speyer: Oberkirchenrätin Dorothee Wüst Nachfolgerin von Kirchenpräsident Christian Schad

Speyer – Die zukünftige und damit erste Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz heißt Dorothee Wüst. Diese historische Entscheidung haben die pfälzischen Synodalen auf der Sondersynode in Speyer mit 36 Stimmen getroffen. Sie setzte sich gegen die beiden Mitbewerber, die Oberkirchenrätin Marianne Wagner und den Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr, im dritten Wahlgang durch.

In ihrer Vorstellungsrede zeichnete Wüst mit der biblischen Geschichte von „Jakobs Traum“ sinnbildlich eine Vision von einer modernen Evangelischen Kirche der Pfalz: Haupt- und Ehrenamtliche in multiprofessionellen Teams, Kooperation mit anderen Kirchengemeinden und der katholischen Schwestergemeinde. „An die alten Parochiegrenzen kann sich kaum noch einer erinnern, das alte Kirchturmdenken ist Geschichte. Vielmehr herrscht in den Gemeinden ein gesundes Selbstbewusstsein“, so die Kaiserslautererin. Sie sei zutiefst überzeugt, dass unsere Kirche dringend Visionen benötigten, „die uns und andere begeistern. Damit wir uns voller Kraft, Liebe und Besonnenheit in wohltuende Bewegung setzen, statt mutlos zu verharren und ängstlich auf den Wandel zu schielen.“, sagte die designierte Kirchenpräsidentin. Mit Gottes Hilfe und um der Menschen willen müssten wir Vergangenes loslassen.

Sie nehme wahr, wie der Stellenwert der Kirche bei gleichzeitig knappen Ressourcen abnehme. „Aber wir sind gemeinsam mit der katholischen Schwesterkirche immer noch ein geschätzter Faktor. Von uns wird erwartet, Zeichen zu setzen für einen menschlichen Umgang miteinander, auch kontroverse Diskussionsteilnehmer an einen Tisch und mit Wertschätzung zu einer guten Lösung zu bringen“, sagte Wüst auf der Landessynode in Speyer. Das klinge einfach, sei aber enorm grundlegend und gehöre zu ihren Stärken.

Immer wieder betonte die 55-Jährige einen Begriff: Kommunikation, „unser eigentliches Kerngeschäft“. Aus ihrer Sicht solle sich die Landeskirche auf ihren Auftrag konzentrieren, nämlich der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat. Dazu gehöre auch das Gespräch mit Menschen ganz verschiedener Milieus, die zu unserer Gesellschaft gehören. Dankbar ist sie dafür, dass es bereits in viele Lebensbereiche hinein kirchliche Kontaktstellen gibt.

„Wir müssen wieder lernen, an die Hecken und Zäune zu gehen und tatsächlich zu hören, was sich außerhalb unserer ‚kirchlichen Wahrnehmungsblase‘ tut. Neben allen wirtschaftlichen Sorgen ist das die größte Herausforderung“, so Wüst. Denn gerade in schnelllebigen Zeiten suchten Menschen nach Orientierung und Zuspruch. „Da haben wir viel zu bieten“, findet Wüst. „Gemeinsam müssen wir herausfinden, wie wir das den Menschen auch vermitteln.“ An digitalen Formaten führe kein Weg vorbei, das habe Corona eindringlich gezeigt. „Wir müssen den Anschluss schaffen an die Kommunikationsmittel, die für viele Menschen längst selbstverständlich sind“, so Wüst.

Strukturreformen ohne Denkverbote

Auch intern strebt Wüst mehr Kommunikation und Austausch an, und zwar mit den Menschen in den Kirchengemeinden und Kirchenbezirken außerhalb des Speyerer Landeskirchenrats. „Immer wieder spüren wir Missverständnisse und Vorurteile. Das müssen wir durch Kommunikation verbessern.“ Die Dekane und Bezirkskirchenräte auf der mittleren Ebene sieht sie als wichtige Multiplikatoren. Zudem bekennt sich Wüst klar zur „Kirche vor Ort“.

Für die Reformen von Strukturen und Prozessen wünscht sie sich ein „Klima ohne Denkverbote. Jede Idee ist es wert, ausgesprochen zu werden. Und wenn sich Menschen auf den Weg machen wollen, ist es die Aufgabe der Landeskirche, ihnen das unbürokratisch möglich zu machen. Dass auf diesem Weg Selbstkritik und auch eine gewisse Fehlertoleranz dazu gehört, versteht sich“, findet Wüst. Hauptsache, es bleibe nicht beim Stillstand.

Der neuen Kirchenpräsidentin ist es bei allen Veränderungen und dem steigenden Druck wichtig, nicht panisch zu reagieren: „Wir werden zügig, aber trotzdem in gutem Miteinander aushandeln müssen, was wir in Zukunft weiter betreiben, was sich in Kooperation mit anderen bewältigen lässt und was wir tatsächlich sein lassen müssen“, sagte Wüst. Als erste Kirchenpräsidentin der Pfalz ist Wüst zuversichtlich, dass im Vertrauen auf Gottes guten Geist neue Wege und Perspektiven möglich sind.

Glückwünsche erreichten Wüst auch vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm:

„Zur Wahl zur ersten Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz gratuliere ich Dorothee Wüst von Herzen. Als Oberkirchenrätin für Schul- und Bildungsfragen und als Gebietsdezernentin weiß Sie, an welchen Stellen Veränderungen in der Kirche notwendig sind, um als Kirche Zukunft gestalten zu können. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in der EKD.“

Zur Person:

Dorothee Wüst ist seit 2019 Oberkirchenrätin der pfälzischen Landeskirche. Sie ist zuständig für Schul- und Bildungsfragen und als Gebietsdezernentin verantwortlich für die Kirchenbezirke Homburg, Kaiserslautern, Kusel, Pirmasens und Zweibrücken. Ab 2012 war sie Dekanin des Kirchenbezirks Kaiserslautern. Zuvor war Dorothee Wüst Pfarrerin in der Lutherkirchengemeinde Kaiserslautern und in der Kirchengemeinde Weilerbach. Wüst ist 55 Jahre alt und wohnt in Kaiserslautern.

Hintergrund Kirchenpräsidentenamt: Ende des Monats Februar 2021 geht der Kirchenpräsident der Landeskirche, Christian Schad (62), in den Ruhestand. Er wurde 2008 erstmals in das Amt gewählt und 2014 bestätigt. Seine Nachfolgerin tritt das Amt am 1. März 2021 für eine Dauer von sieben Jahren an. Sie hat keine bischöfliche Gewalt, sondern vertritt die Landeskirche unter anderem in der Öffentlichkeit und darf in allen Kirchengemeinden Gottesdienste halten. Die neue Kirchenpräsidentin beginnt die Amtszeit mit der neuen Landessynode als oberstem Organ der Evangelischen Kirche der Pfalz.

An der geheimen schriftlichen Abstimmung um die Nachfolge hatten 68 Mitglieder der Landessynode teilgenommen. Erhält in den ersten beiden Wahlgängen niemand die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl von 70 Synodalen, genügt ab dem dritten Wahlgang die einfache Mehrheit.