Ludwigshafen: Heimatlose Eulen suchen Exil für den Existenzkampf

Ludwigshafen – Die Eulen Ludwigshafen, angesichts der Corona Pandemie und Heimspielen mit 500 oder wie zuletzt gar keinen Zuschauern, kämpfen seit Sommer um ihr wirtschaftliches Überleben. Mannschaft, Trainer und alle Mitarbeiter haben für die komplette Saison einem Gehaltsverzicht zugestimmt. Die Zahl der Sponsoren konnte dankenswerterweise sogar gesteigert werden.

Die Entscheidung der Stadtverwaltung Ludwigshafen, die Friedrich-Ebert-Halle, die Spielstätte der Eulen, zum Impfzentrum zu machen, entwurzelt den Verein über Nacht. Die Eulen werden heimatlos. Sie stehen auf der Straße!

Lisa Heßler, die Geschäftsführerin der Eulen, äußert sich in einem Offenen Brief zur Situation. Sie bezieht Stellung zu einer geradezu schockierenden Art der Kommunikation und verspricht totalen Einsatz, um die großartige Idee einer Ludwigshafener Bundesliga-Mannschaft nicht sterben zu lassen.


Offener Brief

Liebe Partner, liebe Fans, liebe Sympathisanten der Eulen,

wir Eulen stehen für die Werte Nahbarkeit, Zusammenhalt und Teamgedanke, aber unser tägliches Handeln sowie unsere Erfolge resultieren ebenso aus dem Verständnis für Kommunikation, Transparenz und Lösungsorientierung.

Und diese sind in großer Gefahr! Denn ab Dezember verlieren die Eulen ihre Heimspielstätte und damit die Basis für Bundesligahandball in Ludwigshafen. Und während ich diese Zeilen schreibe, fühlt es sich völlig surreal und unwirklich an. Doch es ist die Realität, der wir uns stellen müssen. Dabei ist es mir ein persönliches Anliegen, euch umgehend und transparent über die aktuelle Situation zu informieren. Das mediale Interesse an der Thematik ist groß. Ich möchte mich aber direkt auf diesem Weg an euch wenden.

Ich wurde am Dienstag davon telefonisch in Kenntnis gesetzt, dass die Friedrich-Ebert-Halle für die Dauer von wohl einem halben Jahr als Impfzentrum umfunktioniert wird und uns demnach ab dem 01.12.2020 nicht mehr als Heimspielstätte zur Verfügung steht. Von dieser Entscheidung wurden wir ohne Vorwarnung und Vorahnung, ohne die Chance, über den Zeitpunkt oder alternative Möglichkeiten sprechen zu können, vor allem aber ohne jeglichen Ansatzpunkt, wo die Eulen Ludwigshafen als sportliches Aushängeschild der Stadt Ludwigshafen und Rheinland-Pfalz ab sofort ihre Heimspiele austragen können, überrascht. Das irritiert, schockiert und stimmt nachdenklich.

Ich möchte ganz klar betonen, und da gibt es in meinen Augen auch keine zwei Meinungen, dass Gesundheit unser aller oberstes Gut ist und wir als Club eine besondere gesellschaftliche Verantwortung dafür tragen. Diese Verantwortung verspüre ich ebenso gegenüber unserer Mannschaft, all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Dienstleistern, Partnern und Fans. Doch wir können ihr nur gerecht werden, wenn auch die Eulen Ludwigshafen diese Pandemie überstehen, als Club in der stärksten Liga der Welt, als Arbeitgeber und als soziale Institution, die in unserer Stadt maßgeblich dazu beiträgt, Werte zu vermitteln und sportliche Vorbilder für ein gesundes Leben zu entwickeln.
Wir haben es bis zum heutigen Zeitpunkt und demnach seit über einem halben Jahr geschafft, Zusammenhalt so zu leben, dass wir trotz Saisonabbruch im April, Zuschauerbeschränkungen, Geisterspielen die Situation wirtschaftlich bestmöglich stemmen. Das macht mich stolz und gab mir die Zuversicht, dass wir durch gemeinsame Lösungen auch die aktuellen Herausforderungen meistern. Es sind nun Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten kann. Es fühlt sich bildlich gesprochen danach an, von heute auf Morgen das Dach über dem Kopf zu verlieren. Ein Ort, der für viele soziale Heimat bedeutet, aber eben auch die Ausübung des existenzsichernden eigenen Berufs – nicht nur für 20 Spieler. Denn der kurzfristige Ausfall unserer Spielstätte stellt uns vor eine Aufgabe, für die es keine adäquate Lösung gibt. Dass es rein sportlich betrachtet ein maximaler Nachteil ist, kein Heimspiel mehr bestreiten zu dürfen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wer wiederum eben auch weiß, mit welchen Anstrengungen wir gemeinsam und durch die Unterstützung der Stadt Ludwigshafen die Friedrich-Ebert-Halle überhaupt bundesligatauglich gemacht haben, dem ist bewusst, dass wir keine alternative Spielstätte auch vor dem Hintergrund unserer umfassend erarbeiteten Hygienekonzepte in Ludwigshafen haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die anderen Bundesliga-Clubs, denn keine andere Halle ist derzeit betroffen, uns die Hand reichen und wir aktuell prüfen, ob wir dort unsere Spiele wohl wechselnd austragen können. Und dann stellen sich die nächsten Fragen, die der Verfügbarkeit, der Finanzierung und der Umsetzbarkeit der Partner- und Fan-Leistungen. Die Antwort ist, dass wir diese nicht alleine beantworten können und damit die Existenz unserer Eulen mehr denn je auf dem Spiel steht. Wie wichtig ist Bundesliga-Handball in Ludwigshafen? Wollen wir dies aufrechterhalten, dann bedarf es jetzt einem Signal aus der Politik, die gemeinsam mit uns Erfolge feierten, auch diesen Weg zu bestreiten.

Ich verspreche euch allen – Partnern, Fans, Dienstleistern und Mitarbeitern -, dass ich die letzten Kräfte dafür mobilisieren werden, um diesen finalen Kampf zu kämpfen. Wir werden, wie gewohnt, in den Dialog gehen und Lösungen finden wollen. Bitte habt Verständnis, dass wir aus diesem Grunde zum heutigen Zeitpunkt noch nicht mehr sagen können, dies aber umgehend machen, wenn wir mehr wissen. Auch verspreche ich im Namen der gesamten Mannschaft, dass wir, solange wir dürfen, nicht aufgeben werden für diesen einzigartigen Club zu kämpfen – auch oder gerade weil wir gestern nicht unser Gesicht gezeigt haben – und wir das letzte Heimspiel dieser Saison nächste Woche gegen Minden besonders erleben werden.

Ich kann nur darum bitten, dass ihr weiter an unserer Seite steht und mich gleichzeitig von Herzen bedanken.

Eure Lisa


Wir berichteten:

Ludwigshafen: Friedrich-Ebert-Halle als Impfzentrum ausgewählt


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