Ludwigshafen: TUSEM ESSEN – EULEN 27:29 (16:13)

Ludwigshafen – Auswärtssieg! Die Eulen drehen das Spiel nach der Pause, gewinnen den Ruhrpott-Krimi bei Tusem Essen am Samstagabend, 05.06.2021, nach 13:16-Pausenrückstand 29:27. Mann des Abends: Hendrik Wagner (10/3.). Der ist in Halbzeit eins ohne Tor geblieben, trifft nach dem Seitenwechsel zehnmal. Stark am Ende: Gorazd Škof. 74 Sekunden vor Schluss hält er die 28:26-Führung fest, dann trifft wieder Wagner: 29:26. Dimitri Ignatovs 27:29 – nur noch Ergebniskosmetik.

„In diesen Spielen werden Helden geboren – heute war es Bobby“, sagt der strahlende Eulen-Trainer Ben Matschke am Ende. Bobby – das ist der Ex-Leutershausener Wagner, der zum vierten Mal in dieser Spielzeit einen Zehnerpack schnürt. Sagenhaft: Zehn der 16 Eulen-Treffer in der zweiten Halbzeit macht Wagner. „Ben hat in der Halbzeit gesagt, dass wir in der Abwehr mehr Meter machen müssen. Wichtig war, den Kopf wieder frei zu bekommen. Geht der erste Ball dann nach der Halbzeit rein, gibt einem das unfassbar viel Selbstvertrauen“, erklärt Wagner das kuriose Geschehen in den 60 Minuten. „Es war das vielleicht schwierigste Spiel. Essen macht es immer sehr gut, wenn sie nichts mehr zu verlieren haben“, sagt Matschke nach dem Sieg in der Sporthalle „Am Hallo“ beim feststehenden Absteiger. Der Coach, der in der Vorbereitung, beim Videostudium, in den Gesprächen mit seinen Jungs alles reinwirft, alles gibt, beim Spiel mitkämpft, mit klaren Ansagen auch in den Auszeiten Korrekturen vornimmt, will die Mannschaft seinem Nachfolger Ceven Klatt unbedingt als Erstligist übergeben. Matschke: „Wenn wir von den Spielen gegen Balingen und Essen auch nur eins verloren hätten, dann wären wir weg gewesen …“ So sind die Eulen mit 23:43 Punkten auf Platz 17 wieder dran an HBW Balingen-Weilstetten, das 24:42 Punkte hat und auf Rang 16 steht, dem ersten Nicht-Abstiegsplatz. Davor rangiert auf Platz 15 GWD Minden mit 25:43 Punkten und einem mehr ausgetragenen Spiel. Ben Matschke: „Mich macht stolz, dass die Mannschaft Reife gezeigt hat, wie sie mit Rückschlägen umgegangen ist.“

Das Drehbuch hat eine Hauptrolle für Dominik Mappes vorgesehen. Eine Umbesetzung ist nicht erforderlich. Der Mittelmann ist von einer leichten Gehirnerschütterung, schmerzhafte Erinnerung an Balingen, genesen. „Mir geht es gut“, signalisiert der Mittelmann Einsatzbereitschaft. 500 Zuschauer sind in der Halle „Am Hallo“- nach 456 Tagen sind die Geisterspiele in der Handball-Bundesliga Geschichte. „Als die Essener eingelaufen sind, da bekam ich Gänsehaut bei dieser lange nicht mehr erlebten Atmosphäre. Auch knapp 500 Zuschauer können Stimmung machen“, sagt hernach Hendrik Wagner angesichts des Stimmungswandels. Für Mappes aber droht sich die Geschichte der Vorwoche zu wiederholen – nach drei Minuten trifft ihn Dennis Szczesny im Gesicht. Es gibt nicht mal eine Zeitstrafe, obwohl Ramesh und Suresh Thiyagarajah insgesamt souverän, insgesamt gut leiten. Mappes geht zu Boden, geht leicht benommen vom Feld. Er wird behandelt, „Medizinmann“ Carsten Zotz, einer aus dem Physio-Team von Christian Simon, ist gefordert. Mappes kommt wieder, macht vier Tore und wird zum überragenden Steuermann. „Ich habe einen Schlag voll ins Gesicht bekommen – das ist Abstiegskampf“, sagt Mappes nach getaner Arbeit. „Wir waren voll überzeugt, dass wir hier was holen“, sagt er nachdem die zwei Punkte eingetütet sind. „Wir wussten, dass es eng werden wird“, betont der Regisseur, der sich nicht mit der Tabelle und Hochrechnungen beschäftigen mag: „Ganz ehrlich, wir gucken nicht auf die anderen. Wir konzentrieren uns ganz auf uns. Und damit fahren wir seit Februar auch gut…“

Die Eulen geraten nach 45 Sekunden in Rückstand. Bis zur Pause gleichen sie nur einmal aus: Jan Remmlinger per Gegenstoß zum 1:1. Essen verteidigt gut. Essen spielt hart. Sehr hart. Pascal Bührer wird in der 24. Minute von Seidel rüde gefoult – Bührer muss draußen verarztet werden. Auch nach dem Spiel schmerzt der Nacken. Aber der Sieg wirkt schmerzlindernd, sagt der Mittelmann augenzwinkernd … Tusem-Schlussmann Lukas Diedrich, eigentlich die Nummer 2, hält stark, meistert Siebenmeter von Pascal Durak und Mappes, der aber den Nachschuss versenkt. Essen hat sich zunächst gut auf Hendrik Wagner eingestellt. Er bleibt in den ersten 30 Minuten ohne Tor. So setzt sich Tusem immer wieder ab – 4:2, 8:6, 10:7, 11:9. Hoffnung keimt, als Yessine Meddeb in der 26. Minute nach Remmlingers super Pass verkürzt: Nur noch 13:12 für Essen. Erstmals seit langen Wochen ist Meddeb wieder in der Bundesliga am Ball. „Er hat sich das in den letzten Wochen durch gute Trainingsleistungen verdient“, lobt Trainer Matschke den Junioren-Nationalspieler. Aber Tusem profitiert vom schnellen Linksaußen Noah Beyer. Er trifft vor der Pause achtmal, viermal vom Punkt. Die Eulen haben nur vier Paraden. Das ändert sich. Beyer bleibt nach der Pause torlos.

Es wird ein harter Kampf. Ein Nervenspiel für die Eulen. Die Eulen liegen nach dem 1:1 in der 2. Minute zurück – mehrfach mit drei Toren. 3:6 nach 13 Minuten, 6:9 nach 17 Minuten, 7:10 nach 19 Minuten, 10:13 nach 23 Minuten, 12:15 nach 28 Minuten, 14:17 nach 32 Minuten, 17:20 nach 38 Minuten. In der 48. Minute gleichen die Eulen erstmals wieder aus: 22:22 durch Wagner. Er trifft auch vom Punkt. Zehn Minuten vor Schluss steht‘s 23:23. Azat Valiullin, erneut ein Turm in der Abwehr, wird mit blutender Lippe verarztet. Er kommt wieder, bringt Stabilität. In der 53. Minute die erste Führung der Eulen: Wagner zum 24:23 – wieder vom Punkt. Er lässt sich auch nicht irritieren, dass ihm nun Sebastian Bliß, der Held des Hinspiels, gegenübersteht. In der 55. Minute sorgt Linksaußen Remmlinger für die erneute Eulen-Führung: 26:25. Mit Kempa-Trick gelingt Morante nochmals der Gleichstand. Wagner antwortet mit dem 27:26 – noch zwei Minuten und 53 Sekunden sind auf der Uhr. Wagner ist jetzt nicht mehr zu halten: 28:26 – noch zwei Minuten und acht Sekunden. Dann pariert Gorazd Škof sensationell, Wagner lässt das 29:26 folgen. Er hat jetzt 146 Tore auf dem Konto, 142 davon sind Feldtore. Dass er nun auch als Siebenmeterschütze gefragt ist? „Ich habe keine Probleme damit. Wenn ich gefragt werde, mache ich das“, sagt der 23-Jährige cool.

„Wir brauchen jetzt auf jeden Fall Ruhe“, sagt Hendrik Wagner vor der Heimfahrt und freut sich auf den freien Sonntag. Ab Montag läuft die Vorbereitung auf die Hausaufgabe am Donnerstag (19 Uhr) gegen SC DHfK Leipzig. „Das ist ein Kann-Spiel“, sagt der Trainer vor dem Heimspiel. „Wir werden uns wie auf jedes Spiel vorbereiten. Ab Montag geht es voll konzentriert in die neue Trainingswoche“, verspricht Torjäger Wagner. Er freut sich, dass zumindest 100 Fans dabei sein dürfen. „100 machen Lärm für 2000“, lautet die Devise von Lisa Heßler, der Geschäftsführerin.


Statistik
Tusem Essen: Diedrich (Bliß 53. bei einem Siebenmeter und ab 55.) – Firnhaber (4), Müller (4), Morante (3) – Klingler (1), Beyer (8/4) – Zechel (2) – Szczesny, Ignatow (4), Rozman, Durmaz, Seidel, Kluth (1)

Eulen Ludwigshafen: Tomovski, Škof (17. – 20., 22.- 23., ab 40.) – Wagner (10/3), Mappes (4), Dietrich (1) – Falk (3), Remmlinger (4) – Haider – Bührer, Valiullin (3), Durak, Neuhaus (3), Klein, Scholz, Meddeb (1), Klimek

Spielverlauf: 1:0 (1. Minute), 1:1 (2.), 4:2 (9.), 9:6 (17.), 10:7 (19.), 13:12 (26.), 15:12 (28.), 16:13 (Halbzeit), 17:16 (33.), 20:17 (38.), 21:21 (47.), 23:23 (50.), 23:24 (53.), 24:25 (54.), 25:25 (54.), 25:26 (56.), 26:27 (57.), 26:28 (58.), 26:29 (60.), 27:29 (Ende) – Siebenmeter: 4/4 – 5/3 – Zeitstrafen: 8/5 – Zuschauer: 478 – Schiedsrichter: Ramesh und Suresh Thiyagarajah (Gummersbach).


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