Kreis Bad Dürkheim: Kreisverwaltung verbietet Montagsspaziergang am 20. Dezember 2021

Bad Dürkheim – Gemäß § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz – VersammlG), § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) und § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie §§ 65 und 66 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVG) erlässt die Kreisverwaltung Bad Dürkheim als Versammlungsbehörde folgende Allgemeinverfügung:

1. Die Veranstaltung von und die Teilnahme an folgenden öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel auf dem Gebiet des Landkreises Bad Dürkheim werden verboten:

a) Untersagt wird der am Montag, 20.12.2021, um 18:30 Uhr geplante und beworbene aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Bad Dürkheim ausgehend vom Römerplatz.
b) Untersagt wird der am Montag, 20.12.2021, um 18:00 Uhr geplante und beworbene aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Deidesheim ausgehend vom Schlosspark.
c) Untersagt wird der am Montag, 20.12.2021, um 18:30 Uhr geplante und beworbene aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Freinsheim ausgehend vom historischen Rathaus.
d) Untersagt wird der am Montag, 20.12.2021, um 18:00 Uhr geplante und beworbene aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Grünstadt ausgehend von der Stadtverwaltung im Kreuzerweg.
e) Untersagt wird der am Montag, 20.12.2021, um 18:30 Uhr geplante und beworbene aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Haßloch ausgehend vom Pfalzplatz.
f) Jede weitere thematisch vergleichbare, nicht ordnungsgemäß angemeldete und behördlich bestätigte Ersatzversammlung im Landkreis Bad Dürkheim wird ebenfalls ganztägig verboten.

2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 verfügten Verbote kann unmittelbarer Zwang angewendet werden, der hiermit angedroht wird.

3. Die sofortige Vollziehung der in Ziffer 1 verfügten Verbote wird hiermit im besonderen öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.

Diese Allgemeinverfügung gilt gemäß § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Landkreises Bad Dürkheim i. V. m. § 1 LVwVfG i. V. m. § 41 Abs. 4 S. 4 des VwVfG am Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt des Landkreises als bekannt gemacht. Zusätzlich erfolgen die öffentlichen Bekanntmachungen im Internet unter der Adresse „http://www.kreis-bad-duerkheim.de“. Sie gilt einen Tag nach ihrer Veröffentlichung als bekannt gegeben und ist ab dem 19.12.2021 wirksam.

Begründung:

Die in Ziffer 1 der Verfügung angeordneten Verbote rechtfertigen sich aus § 15 Abs. 1 VersammlG. Gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung einer Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Der Prognosemaßstab der „unmittelbaren Gefährdung“ erfordert, dass der Eintritt eines Schadens für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Notwendig ist dabei immer ein hinreichend konkreter Bezug der Erkenntnisse oder Tatsachen zu der geplanten Veranstaltung.

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit in § 15 Abs. 1 VersammlG umfasst u.a. den Schutz zentraler Rechtsgüter wie das Grundrecht Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Insoweit trifft den Staat eine grundrechtliche Schutzpflicht, in deren Kontext auch zahlreiche zur Bekämpfung der nach wie vor andauernden Covid-19-Pandemie von Bund, Ländern und Gemeinden ergriffene Infektionsschutzmaßnahmen stehen. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens beinhaltet, können zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören grundsätzlich auch Versammlungsverbote, die verhängt werden dürfen, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und soweit der hierdurch bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag.

Es handelt sich bei den in Ziffer 1 bezeichneten Aktionen um die geplante Durchführung von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des Versammlungsgesetzes. Es ist dabei die Strategie zu versuchen, örtliche Zusammenkünfte von Personen unter Umgehung des Versammlungsgesetzes

durchzuführen. Dies wird verfolgt, indem solche Versammlungen ohne die grundsätzlich gebotene Anzeige im Sinne von § 14 VersG durchgeführt werden, um damit die zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit gebotenen behördlichen Präventiv-/Steuerungsmaßnahmen der Versammlungsbehörde und Polizei zu unterlaufen sowie die Verantwortlichkeit als Veranstalter/Versammlungsleiter zu verschleiern.

Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist und die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne der §§ 14 ff. VersammlG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung und Kundgebung. Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken. Durch die mediale Berichterstattung infolge der bundesweit stattgefundenen Montagsspaziergänge am 13.12.2021 ist der Hintergrund der „Spaziergänge“ nun auch der breiten Masse der Bevölkerung bekannt. Es bedarf zur Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung nicht zwingend der versammlungstypischen Hilfsmittel wie Reden, Plakate, Banner, Flyer o.ä..

Versammlungen sind dabei nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (wie Sitzdemonstrationen, Mahnwachen, Schweigemärsche, Straßentheater und Menschenketten) bis hin zu nonverbalen Ausdrucksformen.

Die geplanten Aktionen haben nach ihrem Gesamtgepräge das Ziel, gemeinschaftlich zusammen zu kommen, um eine demonstrative Aussage im Kontext der Corona-Schutzmaßnahmen zu transportieren („Montagsproteste: Jetzt erst recht – ganz Deutschland geht auf die Straße und die Pfalz ist mit dabei! Über 100.000 Bürger waren vergangenen Montag bei Spaziergängen und Versammlungen auf der Straße und es werden von Woche zu Woche mehr. Ein Rekord löst den nächsten ab. Auch für Montag sind einige Städte neu mit am Start – ebenso bei uns in der Pfalz. Überall gehen Menschen friedlich, selbstbestimmt und eigenverantwortlich auf die Straße und lassen sich nicht weiter bevormunden oder einschüchtern.“ [Telegram Kanal: „Freie Pfälzer“ vom 16.12.2021].) und damit auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Insofern liegt die Zweckverbundenheit unter den Teilnehmern vor, die auf eine „gemeinschaftliche kommunikative Entfaltung“ gerichtet ist.

Es liegt ein Verstoß gegen § 14 VersammlG vor. Danach besteht grundsätzlich das Erfordernis, wonach eine öffentliche Versammlung im Sinne von § 14 VersammlG spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe bei der zuständigen Behörde anzumelden ist. Das Anmeldeerfordernis trägt dem Umstand Rechnung, dass die zuständigen Sicherheitsbehörden einen zeitlichen Vorlauf brauchen, um zu prüfen, ob von der Durchführung der Versammlung Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen und bejahendenfalls Vorkehrungen zu treffen haben, um die Gefahren und

Schäden für Dritte zu verhindern. Bei den geplanten Zusammenkünften sind erhebliche Gefahren für hochrangige Rechtsgüter Dritter zu besorgen. Namentlich dadurch, dass es zu einer erheblichen Anzahl von physischen Kontakten kommt, keine Mindestabstände konsequent eingehalten und keine geeignete Mund-Nasen-Bedeckung getragen wird. In Ansehung des derzeitigen Infektionsgeschehens im Landkreis Bad Dürkheim mit einer 7-Tage-Inzidenz von 224 und einer Hospitalisierungsinzidenz von 4,28 kommt eine Versammlung nur unter Einhaltung von infektionshygienischen Auflagen in Betracht, sofern die hinreichende Gewähr besteht, dass diese Auflagen auch (mehrheitlich) umgesetzt werden.

Dabei ist die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen (namentlich: Einhaltung von Mindestabständen, Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung) auch im Freien erforderlich, um das Übertragungsrisiko zu minimieren. Denn nach der Risikobewertung des Robert Koch-Instituts stellt das generelle Tragen von Masken in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum weiterhin unabhängig vom individuellen Impfschutz einen wichtigen Schutz vor einer Übertragung durch Tröpfchen bei einem engen Kontakt dar. Wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern ohne Maske unterschritten wird, z. B. bei größeren Menschenansammlungen, besteht auch im Freien ein Übertragungsrisiko. Die Einhaltung dieses Mindestabstandes ist nach der Gefahrenprognose bei Durchführung der in Ziffer 1 bezeichneten Versammlungen nicht gewährleistet. Die vielfältigen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit im gesamten Bundesgebiet haben gezeigt, dass die zuweilen behauptete Rechtstreue bei solchen Veranstaltungen letztlich nur als Lippenbekenntnis zu werten ist und im Gegensatz dazu vielmehr mit zunehmender Vehemenz gegen staatliche Infektionsschutzmaßnahmen verstoßen wird. Insofern steht zu erwarten, dass zahlreiche Teilnehmende der verbotenen Versammlungen gerade nicht zuverlässig die Gewähr bieten, auf die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Anforderungen effektiv hinzuwirken. Es ist namentlich zu erwarten, dass auch bei den untersagten Versammlungen vielfach insbesondere die erforderlichen Mindestabstände nicht eingehalten werden und keine (geeignete) Mund-Nasen-Bedeckung (ordnungsgemäß) getragen wird.

Demnach folgt vorliegend bereits aus dem Umstand, dass die Versammlungen nicht rechtzeitig angemeldet worden sind und von ihnen Infektionsgefahren ausgehen, die nicht gering oder vernachlässigbar sind, dass diese aufgrund der damit einhergehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach pflichtgemäßem Ermessen zu verbieten sind.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 15 Abs. 3 VersammlG eine Versammlung oder ein Aufzug aufgelöst werden kann, wenn er nicht angemeldet worden ist. Vorliegend kann in Hinblick auf die andernfalls zu besorgende Gefährdung durch das verdichtete Zusammenkommen einer größeren Personenmehrheit für hochrangige Rechtsgüter nicht abgewartet werden, bis sich die Personen versammeln und die Veranstaltungen sodann erst aufgelöst werden. Denn eine effektive Abwehr der Infektions- und damit Gesundheitsgefahren wäre durch eine Auflösung nach Nichteinhaltung etwaiger (Hygiene-)Auflagen nicht in gleicher Weise geeignet, da es in diesem Fall bereits zu einer gegebenenfalls irreparablen Verwirklichung der Gefahrensituation für Versammlungsteilnehmende, Polizeibeamte und Passanten kommen würde. Aus Gründen des effektiven Schutzes von Leib und Leben ist in der aktuellen angespannten Pandemielage nur ein präventives Vorgehen verhältnismäßig.

In jüngster Zeit zeigt sich bundesweit, aber auch in Rheinland-Pfalz und im Landkreis Bad Dürkheim, eine deutliche Zunahme hinsichtlich nicht angezeigter „Spaziergänge“, die durch die Gleichzeitigkeit von akkurater Planung und vermeintlicher Spontanität geprägt sind. Man trifft sich zielgerichtet und scheinbar spontan, um gemeinsam – ohne Plakate und Parolen – und gleichsam performativ, ohne Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen, eine Wegstrecke zu absolvieren. Das soll einen beiläufigen und alltäglichen Charakter haben (um das Versammlungsgesetz zu umgehen) und zugleich soll das kommunikative Anliegen transportiert werden.

Die Ereignisse vom 13.12.2021 haben gezeigt, dass die Gefahr von unangemeldeten Versammlungen – auch im Landkreis Bad Dürkheim – virulent ist und dass hierbei aufgrund des hohen Mobilisierungspotenzials eine erhebliche Anzahl von Personen zur Teilnahme bereit ist.
So nahmen an den entsprechenden Veranstaltungen am Montag, 13.12.2021 in Bad Dürkheim 40 Personen, in Freinsheim 30 Personen, in Grünstadt 25 Personen, in Deidesheim 25 Personen und in Haßloch 40 Personen teil. Bei diesen Veranstaltungen hat die Mehrheit der Teilnehmer keine Mund-Bedeckung getragen. Hierdurch kann die Verbreitung des SARS- CoV-2-Virus ungehindert erfolgen, was es in Anbetracht der hohen Inzidenzen im Landkreis unbedingt zu vermeiden gilt.

Aufgrund des Verbotes von entsprechenden Versammlungen am kommenden Montag in der Stadt Mannheim ist zudem mit einem Ausweichen der potenziellen dortigen Teilnehmer (am 13.12.2021 ca. 200 Teilnehmer in Mannheim) auf die entsprechenden Versammlungen im Umkreis zu rechnen.

Aktuell ist zudem festzustellen, dass vergleichbare Versammlungsaktivitäten bundesweit stark zunehmen:
Am 13.12.2021 haben tausende Menschen in zahlreichen Städten gegen Coronamaßnahmen protestiert. Allein in Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich rund 7.000 Menschen in mindestens zwölf Städten an teils nicht angemeldeten Veranstaltungen, davon etwa 2.900 in Rostock. Der Protest richtete sich vor allem gegen eine mögliche Impfpflicht, vielerorts wurde aber auch eine Spaltung der Gesellschaft durch die Einschränkungen beklagt. In Thüringen protestierten laut Polizei landesweit rund 6.000 Menschen bei 26 Versammlungen gegen die Coronamaßnahmen. Größtenteils seien es illegale Zusammenkünfte gewesen, sagte ein Sprecher. Dabei seien sieben Beamte verletzt worden, einer davon war demnach nicht mehr dienstfähig. Bei einer nicht genehmigten Versammlung in Berlin kam es zu Verstößen gegen das Masken- und Abstandsgebot. Es wurden Platzverweise erteilt. Später am Abend kehrten die Protestler demnach zurück, woraufhin die Polizei den Platz räumte. In Magdeburg versammelten sich etwa 3.500 Menschen, im nordrhein-westfälischen Gummersbach rund 500. In Sachsen ging die Polizei am Abend in mehreren Orten gegen Proteste vor: In Freiberg kesselte die Polizei rund hundert Menschen in der Nähe eines Supermarktparkplatzes ein, bevor sie die Protestierenden doch weitergehen ließ – denn aufgrund der Nähe zu den Geschäften sei nicht festzustellen gewesen, wer Teilnehmer oder Kunde der Märkte war, sagte ein Sprecher der Polizei. In Dresden zählte die Polizei in der Innenstadt rund 100 Protestierende. Immer häufiger kommt es bei Protesten gegen Coronamaßnahmen zu Gewalt. Auch am vergangenen Wochenende kam es bei diversen, teils unangemeldeten Demonstrationen zu Ausschreitungen mit mehreren verletzten Polizeibeamten.
(vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-tausende-teilnehmer-bei-demos-gegen- coronamassnahmen-in-thueringen-sachsen-und-andernorts-a-5703fc56-6f56-4154-841c-6d27fc7d3442).

In einigen baden-württembergischen Städten haben am Wochenende (10.12. bis 12.12.2021) Tausende gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Die Gewalt bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik am Wochenende hat landes- und bundesweit scharfe Kritik ausgelöst. In Baden-Württemberg gab es laut Landesinnenministerium 22 Versammlungen mit Tausenden Teilnehmenden, die einen Bezug zur Pandemie hatten. Die Polizei stellte demnach rund 650 Verstöße gegen die Corona-Verordnung fest, darunter knapp 300 Verstöße gegen die Pflicht zum Tragen einer Maske. Eine Demonstration fand am Samstagabend (11.12.2021) in Reutlingen statt. Dort demonstrierten laut Polizei bis zu 1.500 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen. Bei der Versammlung zogen Menschen mit Kerzen durch die Stadt und riefen zum „Widerstand“ auf. Ein Polizist wurde dabei verletzt, der mutmaßliche Angreifer wurde festgenommen. Laut Polizei blockierten die Demonstrierenden Straßen, die Stimmung sei „aggressiv“ gewesen. Die Demonstrierenden versammelten sich am Abend am Bürgerpark und zogen von dort aus über das Tübinger Tor weiter in Richtung Marktplatz. Aufforderungen zum Tragen einer Maske seien ignoriert worden, hieß es von der Polizei. Infolgedessen wurde die Versammlung durch das Amt für öffentliche Ordnung aufgelöst. Trotzdem zog im Anschluss eine Gruppe weiter in Richtung Karlstraße und Zentraler Omnibusbahnhof. Beim Versuch der Beamten, die Versammlung zu stoppen, seien Demonstrierende gewalttätig geworden. Die Polizei setzte daraufhin nach eigenen Angaben Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Im Laufe des Abends seien mehrere Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs auf Beamte, Beleidigung und versuchter Körperverletzung eingeleitet worden. Außerdem wurden laut Polizei rund 100 Platzverweise erteilt.
(vgl.​https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/demo-gegen-corona-politik-100.html).

Vor diesem Hintergrund war die Allgemeinverfügung zu erlassen, zumal eine andere, den gleichen Erfolg herbeiführende Maßnahme zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Allgemeinverfügung nicht ersichtlich war. Namentlich eine örtliche Begrenzung auf Teile des Gebietes des Landkreises wäre nicht gleichermaßen effektiv (vgl. Ziffer 1 Buchstabe f). In Hinblick darauf, dass diese Versammlungen gerade darauf abzielen, hoheitliche Maßnahmen zu unterlaufen und zu umgehen und im sog. Querdenker-Milieu, als Corona-Maßnahmen-Gegner, explizit Guerillataktiken thematisiert, wäre eine Beschränkung der Verbote auf Teile des Gebietes des Landkreises (wie den bereits in Telegram beworbenen Orten) nicht gleichermaßen geeignet. Die Gefährdungen für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit bestehen nicht lediglich bei einem örtlich verdichteten Zusammenkommen zahlreicher Personen ohne Beachtung der zentralen Hygienemaßnahmen in ausgewählten Stadtteilen. Es besteht die Besorgnis, dass die betreffenden Personen, bei denen eine zunehmende Enthemmung und Radikalisierung festzustellen ist, andernfalls auf andere (nicht erfasste) Örtlichkeiten ausweichen und gleichsam ein „Katz-und-Maus- Spiel“ mit der Versammlungsbehörde, der Ordnungsbehörde und der Polizei treiben.

Das Verbot ist auch angemessen. Die Verfügung dient dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leib und Leben) und sie steht nicht außer Verhältnis zu der Eingriffsintensität. Es besteht die Möglichkeit, Versammlungen rechtzeitig anzuzeigen und – soweit keine unmittelbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu besorgen sind – (ggfs. unter Auflagen) durchzuführen. Die gezielte Umgehung von rechtlichen Vorgaben, die dem Schutz von Rechtsgütern zu dienen bestimmt sind, ist nicht schutzwürdig. Demnach kann hier das Instrument des Versammlungsverbots als ultima ratio auch zum Zwecke des Infektionsschutzes, d. h. zum Schutz von Leib und Leben, eingesetzt werden.

Als vergleichbare Ersatzversammlung zählen solche Versammlungen, die – sei es verbal oder nonverbal – ebenfalls auf die gemeinschaftliche kommunikative Kritik an den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, Impfungen etc.) abzielen und gemeinschaftlichen Widerstand zum Ausdruck bringen sollen. In Ansehung dessen, dass die Versammlungen gerade darauf abzielen, hoheitliche Maßnahmen zu unterlaufen und flexibel zu umgehen, ist diese Erweiterung auf vergleichbare Ersatzversammlungen geboten.

Die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 2 gemäß §§ 65, 66 LVwVG ist erforderlich, um die Zielsetzung dieser Allgemeinverfügung zu erreichen, wenn auf andere Art und Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit nicht mehr verhindert werden kann. Die Androhung anderer Zwangsmaßnahmen, namentlich des Zwangsgeldes, ist untunlich, um die zügige Beseitigung der Störung im Falle einer unerlaubten örtlichen Personenzusammenkunft zu erreichen.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 3 der Verfügung liegt im besonderen öffentlichen Interesse. Dem mit dem Verbot verfolgten Ziel des Schutzes von Leib und Leben sowie der Verhinderung strafbarer Handlungen (§ 26 Nr. 2 VersammlG) bzw. Ordnungswidrigkeiten (§ 29 Abs. Nr. 1 VersammlG) ist Vorrang vor dem Interesse an der Durchführung der unzulässigen Versammlungen einzuräumen. Es kann nicht bis zum Abschluss eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens zugewartet werden, weil sonst die dringende Gefahr irreparabler Schäden für die betroffenen Rechtsgüter bestünde. Eine Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO konnte daher im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes von Dritten aufgrund der Dringlichkeit (hochdynamisches Infektionsgeschehen, rasche Ausbreitung der besorgniserregen den Omikron-Variante) hier ausnahmsweise nur zu Gunsten der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausfallen.


Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim, Philipp-Fauth-Str. 11, 67098 Bad Dürkheim einzulegen.
Der Widerspruch kann
1. schriftlich oder zur Niederschrift bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim, Philipp-Fauth-Straße 11, 67098 Bad Dürkheim
2. durch E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur * an kv-bad-duerkheim@poststelle.rlp.de
erhoben werden.

*vgl. Artikel 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (Abl. EU Nr. L 257 S. 73)

Bad Dürkheim, 18.12.2021

Gez.
Hans-Ulrich Ihlenfeld
Landrat

Hinweis:

Aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit der Allgemeinverfügung kommt einem Widerspruch keine aufschiebende Wirkung zu.

Es wird zudem explizit auf folgende Vorschriften hingewiesen:

§ 23 VersG:

Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) zur Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung

oder einem Aufzug auffordert, nachdem die Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt oder die Auflösung angeordnet worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 26 VersG:

Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung oder einen Aufzug trotz vollziehbaren Verbots durchführt oder trotz Auflösung oder Unterbrechung durch die Polizei fortsetzt oder eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung (§ 14) durchführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 VersG:

Ordnungswidrig handelt, wer an einer öffentlichen Versammlung oder einem Aufzug teilnimmt, deren Durchführung durch vollziehbares Verbot untersagt ist.