Karlsruhe: Capoeira, Amazonasregenwald und indigene Völker – Kinder erleben Brasilien in Ferienaktion

Karlsruhe – Eine kleine Reise nach Brasilien – ohne Deutschland zu verlassen? Das geht: Mit den richtigen brasilianischen Zutaten, einer Menge Spaß und Offenheit, sommerlichen – beinahe tropischen – Temperaturen und einer Gruppe von 11 wissbegierigen, fantasievollen und kreativen Kindern kann das südamerikanische Land flugs nach Deutschland geholt werden.

Am 30. und 31. Juli 2022 richtete der Verein Capoeira Karlsruhe e.V. in Kooperation mit dem Jugendzentrum GrauBau in Stutensee eine zweitägige Ferienaktion für Kinder im Alter von 7 bis 13 Jahren aus. Im Vordergrund stand dabei der kulturelle, sportliche und musikalische Austausch. In zahlreichen interaktiven Angeboten lernten die Kinder traditionelle Musikinstrumente Brasiliens kennen, konnten die Kampfsportart Capoeira ausprobieren, bewegten sich entlang von Rätseln weit in den Amazonasregenwald und zu indigenen Kulturen Brasiliens vor und konnten sich dabei mit frisch gekochtem, brasilianischem Essen stärken. Spielerisch lernten die Kinder, dass Werte wie Offenheit, Vielfalt und Toleranz wichtig sind, wenn es darum geht, Neues kennenzulernen oder auszuprobieren.

Die Kinder lernen Capoeira-Rhythmen auf der „Atabaque“ einer großen Röhren- trommel kennen. (Foto: Luiz Carlos dos Santos Gomes)
Die Kinder lernen Capoeira-Rhythmen auf der „Atabaque“ einer großen Röhren- trommel kennen. (Foto: Luiz Carlos dos Santos Gomes)

„Wir kämpfen nicht gegeneinander – sondern miteinander“

Der erste Tag startete mit einem Capoeira-Training. Capoeira vereint Sport, Musik und Kultur und bietet eine besondere Möglichkeit, zur Demokratiebildung und Weltoffenheit beizutragen. Dies erklärt sich aus der besonderen historischen Entstehungsgeschichte: Capoeira wurde ursprünglich von Versklavten entwickelt, die aus verschiedenen Regionen Afrikas stammten. Der als Tanz getarnte Kampf half den versklavten Bevölkerungsgruppen, Konflikte zu verhandeln, friedvoll in Austausch zu gehen und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Es sind Fähigkeiten, die damals wie heute außerordentlich wichtig sind. Capoeira steht deshalb seit seiner Gründung gegen Rassismus und für Vielfalt und Toleranz ein.

„Wir kämpfen in der Capoeira nicht gegeneinander – sondern miteinander“, erklärte der Capoeira-Trainer Luiz Carlos dos Santos Gomes (Cao) den Kindern des Ferienprogramms, die gebannt im Kreis saßen. Gemeinsam überlegte die Gruppe, welche Eigenschaften eine Person hat, die gut Capoeira spielt. Das Ergebnis:

  1. Sie ist respektvoll. Sie verletzt ihren Partner nicht, denn nur so können beide lernen und immer besser werden.
  2. Sie ist geduldig. Sie weiß, dass jede einzelne Person ihre Stärken und Schwächen hat. Sie kann sich zurücknehmen und ist rücksichtsvoll. Nur wenn alle Kinder einer Gruppe aufeinander warten, bringt das die Gruppe voran.
  3. Sie ist aufmerksam. Den Partner beobachtet sie im Capoeira-Spiel genau und kann auf einen Angriff schnell reagieren und Situationen korrekt einschätzen.
  4. Sie hat Kontrolle über ihren Körper. Sie kennt die eigenen Grenzen und kann einen Tritt notfalls stoppen, um den anderen nicht zu verletzen.

Eine weitere wichtige Komponente der Capoeira ist die Musik – sie darf bei einem als Tanz getarnten Kampf selbstverständlich nicht fehlen. Das Hauptinstrument der Capoeira war bei einigen Kindern bereits bekannt. „Das ist ein Berimbau!“, rief ein Junge stolz in die Runde. Der einsaitige Musikbogen macht scheppernde bis metallisch klingende Geräusche und gibt beim Capoeira-Spiel den Rhythmus vor. Abwechselnd konnten die Kinder die anderen Musikinstrumente ausprobieren: die Atabaque (Trommel), das Pandeiro (Schellen- Tamburin) und das Agogô (Perkussionsinstrument aus zwei Paranussschalen). Auch einige Capoeira-Lieder wurden einstudiert und anschließend aufgenommen. So konnten die Kinder ein Stück Brasilien in Form von Musik mit nach Hause nehmen.

m Ferienprogramm lernen die Kinder den sogenannten „Benção“, einen Tritt der Capoeira kennen (Foto: Lena Becker)
m Ferienprogramm lernen die Kinder den sogenannten „Benção“, einen Tritt der
Capoeira kennen (Foto: Lena Becker)

Was haben Kokosnüsse, Aluminiumfolie und Radiergummies mit Brasilien zu tun?

Im Fokus des zweiten Tages standen der Amazonas-Regenwald und die indigenen Völker Brasiliens. Die Kinder lernten spielerisch, welche verschiedenen Tiere im Amazonasregenwald leben und was den Regenwald von Wäldern in Deutschland unterscheidet. „Im Regenwald regnet es mehr, glaube ich. Und es ist das ganze Jahr über warm“, schlug ein Mädchen vor und hatte damit vollkommen recht. Gemeinsam fanden wir heraus, dass aus den Regenwäldern viele Früchte und Gewürze kommen und wir Ananas, Kokosnüsse, Vanille und Zimt ohne tropische Wälder nicht kennen würden. Dass der Regenwald aber auch wichtig ist für Rohstoffe wie Bauxit (für die Herstellung von Aluminiumfolie) oder Kautschuk (Bestandteil von Radiergummies), ließ einige Kinder staunen.

Der Wert des Regenwalds für Mensch und Umwelt wurde durch ein Exit-Game durch den Amazonas- Regenwald Brasiliens und die dabei entstehende Begegnung mit indigenen Völkern und Kulturen nochmals unterstrichen. In einer kleinen Fantasiereise mitten durch den Dschungel lösten die Kinder verschiedene Rätsel und Puzzle, lernten indigene Wörter kennen, die es heute noch im der Sprache Brasiliens gibt, und erfuhren, wie wichtig indigene Völker für den Schutz und Erhalt des Regenwalds sind. Ein traditioneller Stocktanz – Maculelê – konnte anschließend auch noch gemeinsam mit dem Trainer Cao ausprobiert werden.

Mit farbigen Klebepunkten konnten die Kinder am Ende der Ferienaktion rückmelden, welche Programmpunkte ihnen am besten gefallen haben. „Mich freut es natürlich immer ganz besonders, wenn Capoeira so gut bei den Kindern ankommt“, grinste Cao mit einem Blick auf die Ergebnistafel. Die meisten Punkte klebten auf dem Feld, das eine Zeichnung von zwei Capoeira-Kindern zeigte. Die Ferienaktion schloss mit einem weiteren Capoeira-Lied. Gemeinsam sang die Gruppe laut und mit voller Energie „Boa viagem!“ – „Eine gute Reise!“

Das Projekt wird gefördert durch Demokratie Leben im Landkreis, das Landratsamt Karlsruhe und das BMFSFJ.