Professor Lin wird vom ERC gefördert. (Reiner Voss/View)

Kaiserslautern – Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) hat Professor Dr. Anthony W. Lin mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet, einer der renommiertesten Forschungsförderungen weltweit.

Der Kaiserslauterer Informatiker erhält für fünf Jahre rund zwei Millionen Euro, um neue Methoden zu entwickeln, mit denen sich komplexe Computerprogramme analysieren beziehungsweise ihre Fehlerfreiheit beweisen lassen. Ein Kern solcher Programme liegt in der Verwendung beziehungsweise Anwesenheit von Datenreihen. Das Team um Lin entwickelt dazu zunächst theoretische Modelle, die es in die Anwendung bringen möchte.

Ob bei Krankenversicherungen, bei Onlineshops, in der privaten Cloud, am Produktionsband in einem Industrieunternehmen oder bei börsennotierten Konzernen – heutzutage fallen in den unterschiedlichsten Bereichen riesige Datenmengen an. Computer betrachten viele von ihnen als Datensequenzen, zum Beispiel als eine Reihe von Zahlen.

„Moderne Programme verarbeiten ständig Datensequenzen, zum Beispiel Datenstrukturen wie Arrays, die Informatik-Studierende in ihrer ersten Vorlesung kennenlernen, oder die Kurshistorie einer Aktie. Aufgrund der Komplexität solcher Programme schleichen sich leicht Fehler ein. Die Herausforderung besteht darin, neue Methoden zu entwickeln, die zu sowohl fehlerfreien als auch effizienten Programmen führen und dabei das Programmieren leichter machen“,

sagt Professor Dr. Anthony Lin, der an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau zu „Automated Reasoning“ forscht.

Wie aber kann man die Fehlerfreiheit eines solchen Computerprogramms garantieren? Damit wird sich das vom ERC geförderte Projekt „Logic and Automata over Sequences with Data“ (LASD) befassen. Die Lösung liegt in der Entwicklung einer neuen Automatentheorie.

Im Blick hat das Team um Lin dabei unter anderem, wie sich sogenannte Graphdatenbanken leichter und effizienter abfragen lassen. Damit lassen sich stark vernetzte Informationen speichern. Sie kommen etwa zum Einsatz, um Finanztransaktionen zwischen mehreren Parteien aufzuzeichnen. Darin enthalten sind eine Vielfalt von Daten zu Kontoinhabern (Personen oder Unternehmen) und Transaktionen, wie Namen, Alter, Beträge der Überweisungen et cetera. Um Betrügereien bei solchen Systemen auf die Schliche zu kommen, sind besonders der Verkehr von Überweisungen, das heißt die Sequenzen von Überweisungen, sowie deren Beträge von Interesse. Bislang ist es sehr aufwendig, diese Angaben herauszufiltern.

Ein anderer Anwendungsbereich, der im Fokus des Projektes stehen wird, sind Datenreihen, bei denen es über die Zeit zu Änderungen kommt, die im Vorfeld nicht abzusehen sind. Im Bereich des maschinellen Lernens sind in letzter Zeit verschiedene Methoden entwickelt worden, die eine Datenreihe als Eingabe erhalten und eine Entscheidung treffen. Beispielsweise kommen solche Systeme bei Darlehen zum Einsatz, um zu entscheiden, ob ein Antrag bewilligt wird oder nicht.

„Das Hauptproblem besteht darin, dass es der Entscheidung eines solchen Systems an Erklärung und Transparenz fehlt, warum soll beispielsweise der Antrag auf ein Darlehen abgelehnt werden?“,

fährt Professor Lin fort.

„Dieses Erklärbarkeitsproblem ist ein zentrales Thema im Bereich des maschinellen Lernens. Wir wollen dazu eine Theorie entwickeln, die genau dabei helfen soll.“

Professor Lin forscht seit 2019 als Professor für „Automated Reasoning“ an der RPTU sowie als Max-Planck Fellow am Max-Planck-Institut für Software Systeme. Das Max-Planck-Fellow-Programm fördert die Zusammenarbeit von herausragenden Hochschullehrerinnen und -lehrern mit Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft. Zuvor war Professor Lin an der Universität im englischen Oxford, wo er bereits einen ERC Starting Grant erhalten hat.

An der RPTU gibt es derzeit noch drei weitere Forscher, deren Forschung vom ERC gefördert werden: Professor Johannes Herrmann aus dem Fachbereich Biologie hat einen ERC Advanced Grant erhalten, um zu untersuchen, wie Zellen über lange Zeit funktionsfähig bleiben. Professor Mathias Weiler aus der Physik wurde mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Er und sein Team beschäftigen sich mit Spinwellen und neuen spintronischen Bauelementen, mit denen sich das Speichern, Verarbeiten und Weiterleiten von Informationen deutlich beschleunigen ließe. Sein Physiker-Kollege Juniorprofessor Phillipp Pirro baut im Rahmen einer ERC Starting Grant-Förderung ein künstliches Gehirn, bei dem Informationen mit Hilfe von Magnonen, den Quantenteilchen der Spinwellen, übertragen werden sollen.