Fotoarbeit von abschmelzenden Eismassen: Thomas Wredes „Rhônegletscher IV“ von 2020 (Foto: Thomas Wrede, © VG Bild-Kunst 2023)

Kaiserslautern – Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und die Zerstörung der Natur sind die Themen, die in der neuen Ausstellung „Artists for Nature“ vom 6. Mai bis 24. September im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) verhandelt werden.

Für die Schau konnten national und international relevante Künstlerinnen und Künstler gewonnen werden, die in verschiedenen Medien die Folgen menschlicher Eingriffe in die Natur darstellen. „Mit der Ausstellung ‚Artists for Nature‘ profilieren wir das mpk als einen Ort, an dem auch die drängenden gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit diskutiert, reflektiert und aus künstlerischer Perspektive beleuchtet werden“, sagt mpk-Direktor Steffen Egle. Zu sehen sind Werke von Betty Beier, Julius von Bismarck, Lukas Marxt, Gabriela Oberkofler, Johanna Reich, Stefan Vogel und Thomas Wrede, die alle bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 5. Mai, um 19 Uhr dabei sind. Nach einer Begrüßung durch Egle spricht die stellvertretende Bezirkstagsvorsitzende Ruth Ratter ein Grußwort. Anschließend beleuchten Egle und die Kuratorin Dr. Annette Reich zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern die einzelnen Positionen.

Die Bandbreite der Ausdrucksformen in dieser kontrastreichen Ausstellung ist groß. Sie reicht von Ansätzen der künstlerischen Forschung bis hin zu schonungslos direkten Fotografien, die mit großer Unmittelbarkeit die Folgen menschlichen Handelns in der Natur aufzeigen.

„Manchmal ist die ganz subtile Darstellung der Thematik viel wirkungsvoller als der ungeschönte dokumentarische Blick“,

begründet Annette Reich ihre Auswahl. Es unterscheide die künstlerische Behandlung des Themas von anderen Zugängen, da Künstlerinnen und Künstler immer mehrere reflektierende Ebenen anbieten. Das weltweite zerstörerische Eingreifen des Menschen in natürliche Lebensräume und die daraus resultierenden Konsequenzen, wie sie beispielsweise die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher zeigen, führen die Dringlichkeit eines verantwortungsvollen Umdenkens dezidiert vor Augen. Die Zusammenschau gibt Anstöße, sich dieser globalen Problematik zu stellen.

Betty Beier (Jahrgang 1965 – lebt in Rohrbach/Pfalz) konserviert in einem aufwändigen künstlerischen Verfahren quadratmetergroße Boden- und Wandstücke bedrohter oder zerstörter Landschaften. Ihre „Erdschollen“ findet sie beispielsweise im Amazonasgebiet Brasiliens, auf der Inuit-Insel Kivalina in Alaska, auf der Zugspitze oder im Schlossgarten Stuttgart anlässlich des Bürgeraufstandes „Stuttgart 21“. Zum einen verweist die Künstlerin und Umweltaktivistin auf die Schönheit und das Erhabene natürlicher Lebensräume, deren Verschwinden sie eindrücklich vor Augen führt. Und zum anderen gemahnt sie an den zerstörerischen Umgang des Menschen mit der Natur.

Julius von Bismarck (Jahrgang 1983 – lebt in Berlin) zeigt Filmstills als Fotoserie in Schwarz-Weiß, die dem Phänomen eines Hurrikans auf der Spur sind. Regen, umgestürzte Bäume, Trümmer, die durch leere Straßen gewirbelt werden, zerstörte Häuser – die im Bild gebannte Stärke des Wirbelsturmes hinterlässt eine gespenstische Atmosphäre. Schon während seines Studiums setzte sich der Künstler kritisch mit dem Thema Landschaft auseinander und fand seine zentralen Themen schließlich in elementaren Naturgewalten ebenso wie in dem Verhältnis von Mensch und Natur im Anthropozän, dem vom Menschen bestimmten Zeitalter.

Vor kurzem ist Lukas Marxt (Jahrgang 1983 – lebt in Köln) von einer erneuten Reise in die USA zurückgekehrt, genauer: aus Südkalifornien. In seinen Videoarbeiten beschäftigt er sich unter anderem mit Umweltschäden und der Zerstörung von Landschaften durch extreme Eingriffe des Menschen in die Natur. Bereits in der Vergangenheit thematisierte er die rücksichtslose Ausbeutung der Erde im Anthropozän, indem er in seinem Film „Imperial Valley (cultivated run-off)“ Aufnahmen von einer Drohne präsentiert, die in sonderbar abstrakte geometrische Muster aufgeteilte Landstriche zeigt.

Gabriela Oberkofler (Jahrgang 1975 – lebt in Stuttgart) schafft mit ihrer „Erdenkugel“ einen Mikrokosmos, der mitunter seltene Nutzpflanzen, unter anderem essbare Wildkräuter vereint. Mit dieser „lebendigen Skulptur“ auf dem Rasen vor dem mpk verweist die Künstlerin auf ihr umfangreiches Archiv, in dem sie Samen auch von zu verschwinden drohenden Pflanzenarten bewahrt. Im Innenraum des Museums verwandelt eine Installation den Ausstellungsraum in eine Art Labor. Naturinspirierte, bestechend detaillierte Zeichnungen komplettieren das Gesamtkunstwerk. Oberkofler verbindet verschiedene Lebensbereiche; so hat sie im Herbst vergangenen Jahres in ihrer Heimat Südtirol den Taberhof als „Institut für alternative Landwirtschaft, zeitgenössische Kunst und Leben an der Peripherie“ eröffnet. Dort sollen aktuelle Themen aus den Bereichen bildender und darstellender Kunst, Forschung, Wissenschaft und Landwirtschaft von unterschiedlichen Akteuren temporär vermittelt werden.

Brennende Wälder aus verschiedenen Gegenden rückt Johanna Reich (Jahrgang 1977 – lebt in Köln) in ihrer Fotoserie „Petrarca’s View“ ins Bild. Unscharf erscheinende pastellfarbene Naturausschnitte in gleißendem Licht beschwören apokalyptische Szenerien herauf. Sind wir uns der Zerstörung, die wir selbst anrichten, bewusst oder dominiert eher eine ohnmächtige Unbegreiflichkeit? Mit ihrer Technik der Lightscans – von ihren Fotografien fertigt sie Polaroids an, die sie während der Entwicklung scannt – schafft die Künstlerin eine ambivalente Atmosphäre zwischen visionärer Entrücktheit und realer Katastrophe.

Eine raumfüllende Brachlandschaft von Stefan Vogel (Jahrgang 1981 – lebt in Leipzig) bietet ein eindringliches Bild des Verlassenseins und der Zerstörung. Äste, Pflanzen, Alltagsgegenstände, alles ist von grauem Mörtel überzogen. Sprachliche Versatzstücke aus Silikon ergänzen das Szenario dieser „Gebrache“, wie Vogel seine Räume nennt. Überlebensgroß fordert an der Wand ein Bild von 2011 „Destroy all human Life“. In den Materialien Papier, Acryl, Schreibmaschine, Dreck, Nikotin, Kugelschreiber, Bleistift und Ölfarbe auf Polyestergewebe verbindet Vogel auch hier Organisches und Künstliches zu einem komplexen Zusammenspiel. Der multimedial arbeitende Künstler schafft Räume eindringlicher Erfahrungen, der Boden knackt, macht den eigenen Stand unsicher und stellt dabei individuelle existenzielle Fragestellungen in den Mittelpunkt seiner metaphorischen Bildwelten.

Der Fotograf Thomas Wrede (Jahrgang 1963 – lebt in Münster) schließlich führt uns in monumentalen Arbeiten das Abschmelzen alpiner Gletscher drastisch vor Augen. Seit 2017 reist der Künstler immer wieder in die Alpen, unter anderem zum Rhône-Gletscher in die Schweiz. Klimaforscher sagen voraus, dass es diesen am Ende des Jahrtausends nicht mehr geben wird. Wrede fängt mit seiner Kamera die Gletscheroberflächen ein, die mit Vliestüchern abgedeckt werden, um das Abschmelzen zu verhindern beziehungsweise zu verlangsamen. So entstehen bizarre Landschaften, die bedrohte Natur wiederum bedrohlich erscheinen lassen.

Mit der Ausstellung „Artists for Nature“ stellt das mpk die grundsätzliche Frage: Was ist uns Natur wert? In einem umfangreichen Begleitprogramm lädt das Museum ein, diese Frage immer wieder neu zu überdenken. Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern, Museumsplatz 1, ist mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr und dienstags von 11 bis 20 Uhr geöffnet; das Haus ist an Pfingstmontag geöffnet. Weitere Informationen unter www.mpk.de.