Vortrag über Hans und Paul Münch erschüttert zahlreiche Besucher

Blick in menschliche Abgründe

Kaiserslautern – „Der Zugang zur Geschichte gelingt anders, wenn man sich das Schicksal einzelner vergegenwärtigt“, begrüßte Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder die zahlreichen Besucher der Pfalzbibliothek, die Gunther Strauß‘ Vortrag über Hans und Paul Münch hören wollten.

Und Wieder fuhr fort:

„Das macht das Ganze auch schrecklicher“

und verweist auf eine Gedenkfahrt des Bezirksverbands Pfalz nach Auschwitz im Jahr 2009. Damals habe man einen Gedenkstein, den ein Schüler der Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern gefertigt hatte, mitgenommen, der nun im Gedenk- und Versöhnungshügel am ehemaligen Konzentrationslager verbaut werde. Unter den Gästen befand sich, eigens aus dem polnischen Oświęcim (dem heutigen Auschwitz) angereist, die Historikerin Sylvia Wysinska, die zurzeit an der Gedenkstätte promoviert. „Die Beschäftigung mit dieser Vergangenheit sollte uns sensibler machen für die gegenwärtigen Ereignisse“, so Wieder und erinnerte daran, dass vor 75 Jahren die pfälzischen Juden nach Gurs deportiert wurden und die sowjetische Armee vor 70 Jahren das Konzentrationslager Auschwitz befreit hatte.

Gunther Strauß, ehemaliger Geschichtslehrer am Hohenstaufen-Gymnasium in Kaiserslautern, stellte in seinem Vortrag „Vom nationalen Konservatismus bis zum Rassenwahn“ die unterschiedlichen Lebensläufe von dem Lehrer und Heimatdichter Paul Münch und seinem Neffen Dr. Hans Münch vor, der Chef der 35 Lagerärzte in Auschwitz war. Beide Männer stammen aus einer deutschnationalen Familie. Paul Münch (1879-1951) war 47 Jahre im Schuldienst tätig.

Seine Mundartgedichte machten ihn beliebt und weit über die Pfalz hinaus bekannt. Er wurde von den Nationalsozialisten gefeiert, auch gehörte er mehreren NS-Organisationen an; allerdings trat er nie in die Partei ein. Er hat sogar sein Leben riskiert, um einen Lehrerkollegen, den Halbjuden Prof. Dr. Arnold Lehmann, zu retten. Dieser tauchte unter und Paul Münch kümmerte sich um ihn. Hans Münch (1911-2001) hat Versuche an Menschen unternommen, ihnen zum Beispiel Zahneiter in Gelenke gespritzt, wodurch sie zeitlebens krank blieben. Auch hat er aus Menschenfleisch Brühe gekocht, um Bakterienkulturen zu züchten.

Hans Münch wurde mehrmals angeklagt, aber nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Einige Zeit nach dem Krieg ließ er sich als praktischer Arzt im bayrischen Roßhaupten nieder. Er bereute bis zum Schluss nichts, er sagte auch, dass er „alles wieder so tun würde“.

Institutsdirektor Roland Paul bezeichnete den Vortrag als „erschütternd“ und erzählte, dass er Mitte der 1990er Jahre im Rahmen seiner wissenschaftlichen Studien sogar zweimal mit Dr. Hans Münch telefoniert habe, ohne zu wissen, welche Rolle er in Auschwitz gespielt hatte. Er verwies außerdem auf einen weiteren Neffen von Paul Münch, Dr. Fritz Münch, der 1972 als Bundestagskandidat der NPD angetreten sei. Die musikalische Gestaltung des Vortragsmorgens übernahm Klaus Demuth mit Klavierstücken von Skrjabin, Satie und Prokofjew.