Bischof Wiesemann warnt in Weihnachtspredigt vor falsch verstandener Autonomie

Ja zur Freude des Lebens und zur Verantwortung

Bischof Wiesemann bei der Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag

„Das menschliche Leben ist nicht nur eine Frage rein individueller Selbstbestimmung. Keine der grundsätzlichen Lebensfragen kann der Mensch für sich allein lösen.“ Daran erinnerte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag.

Weihnachten stehe für das Ja zum Leben und zur gesellschaftlichen Verantwortung füreinander. Im Blick auf den Lebensanfang kritisierte er, dass sich die Gesellschaft längst an die Abtreibung gewöhnt habe, obwohl sie nicht legal, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei sei. Auch in die Zeit vor dem Tod dränge sich immer häufiger eine Haltung, keinem zur Last fallen zu wollen, als verzweifeltes Motiv.

„Wir haben als Gesellschaft eine gemeinsame Verantwortung auch für das leidende Leben, der wir uns durch keine Giftspritze entledigen können“,

machte der Bischof seine Ablehnung der aktiven Sterbehilfe deutlich und würdigte zugleich das Engagement vieler Ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter in der Hospizhilfe und der Palliativmedizin.

„Ihr Einsatz gibt der Gesellschaft ein humanes Angesicht.“

Es gebe kein stärkeres Bild für die „sich selbst durchsetzende Dynamik der Entfaltungskraft des Lebens und die tödliche Ohnmacht des Alleinseins im gleichen Atemzug“ als die Geburt Jesu als hilfe- und schutzbedürftiges Kind.

„Wir haben uns nie vollständig in der Hand, wir entdecken uns selbst in jeder Lebensphase, ja eigentlich in jedem entscheidenden Moment des Lebens immer mehr und manchmal ganz neu“, so Wiesemann.

Zur Freude an der eigenständigen Selbstentfaltung müsse das Wissen darum kommen,

„wie sehr man dieses eigene Leben sich nicht selbst verdankt und angewiesen und verantwortlich ausgerichtet ist auf den Ursprung des Lebens: auf den Schöpfer des Lebens und auf die Gemeinschaft, in die er mich hineingestellt hat.“

Beim Hochamt am ersten Weihnachtsfeiertag brachten der Mädchenchor, die Domsingknaben, der Domchor und die Dombläser die Missa in B von Christopher Tambling, den gregorianischen Introitus „Puer natus est“ sowie Liedsätzen von Willcocks und Mawby zu Gehör. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.

In seiner Predigt in der Christmette bezeichnete Bischof Wiesemann Weihnachten als das Fest der bedingungslosen Liebe und unendlichen Geduld Gottes mit den Menschen. Es sei unsere Aufgabe, etwas von dieser Liebe weiterzuschenken – nicht nur an unsere Nächsten. Der Bischof rief dazu auf, Flüchtlinge, Obdachlose und andere Notleidende an- und aufzunehmen.

„In ihnen klopft Gott wie ein Kind an unsere Tür, bis wir aufwachen.“

Vor dem Gottesdienst an Heilig Abend hatte er obdachlose Männer in der Caritas-Einrichtung St. Martin in Ludwigshafen besucht.

Für die musikalische Gestaltung der Christmette in der vollbesetzten Kathedrale sorgten unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori Mitglieder des Domchores, Domkantor Alexander Lauer und Domorganist Markus Eichenlaub.

Bereits in der Predigt zum vierten Adventssonntag hatte der Bischof gegen die „Pegida“-Proteste Position bezogen:

„Hier werden Ängste geschürt, Menschen gegeneinander in Stellung gebracht und sozialer Friede zerstört.“

Im Blick auf die steigende Zahl von Flüchtlingen, die in Europa Schutz und Zuflucht suchen, mahnte Bischof Wiesemann in der Kirchenzeitung „Der Pilger“:

„Weihnachten erfüllt sich in den Notleidenden unserer Zeit, wenn wir mit ihnen das Dach über dem Kopf und Brot und Wein zum Leben teilen.“