Vortrag von Bischof Wiesemann beim St. Martinsempfang in Mainz

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann gemeinsam mit Bianka Mohr, der Leiterin der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Bischof von Speyer, Dr. Karl-Heinz Wiesemann, hat die Bedeutung der kirchlichen Jugendarbeit „als zentrales Feld kirchlichen Engagements“ hervorgehoben.

Beim St. Martinsempfang am Mittwochabend, 5. November, im Erbacher Hof in Mainz sagte er dazu:

„Jugendliche sind mit ihrer Art, auf die Gesellschaft, ihre Veränderungsprozesse und die unterschiedlichen Institutionen darin zu reagieren, ein wichtiger Seismograph für die Zukunftsentwicklung unseres Gemeinwesens. Das muss uns als Kirche mindestens genauso interessieren wie alle anderen gesellschaftlichen Akteure. Dabei sind wir der Überzeugung, dass die Prägung durch den christlichen Glauben, durch die dadurch vermittelten Werte und Lebenseinstellungen, durch die Erfahrung von Gemeinschaft und die Einübung in Verantwortung einen wichtigen kirchlichen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft bilden – und Jugendpastoral daher ein zentrales Feld des kirchlichen Engagements bleiben muss.“

In drei Thesen formulierte Wiesemann, der Vorsitzender der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz ist, „wesentliche Herausforderungen“ für die Zukunft der Jugendseelsorge. Besondere Bedeutung habe erstens „Die Kompetenz der Deutung – die prophetische Dimension der Kirche“. Wörtlich sagte er dazu:

„Der Glaube muss in der Sprache junger Menschen über das Banale und über Moralappelle hinaus deutlicher und schärfer seine vor der Vernunft verantwortete Fähigkeit zu einer kommunikablen Welt- und Lebensdeutung entfalten. Das scheint mir ein wesentlicher Beitrag für die Gesellschaft zu sein, mit den eigenen tabuisierten, verschwiegenen oder nicht bewältigten Seiten ins gemeinsame Gespräch zu kommen.“

Zweitens komme „der rituellen Kompetenz als der sakramentalen Dimension der Kirche“ große Bedeutung zu, da junge Menschen „Riten und zeichenhafte Darstellungen“ bräuchten. Er sagte:

„Auch hier leisten wir mit unserer Liturgie, wie auch mit den vielen niederschwelligen rituellen Formen der Erfahrung von Gemeinschaft (etwa Lagerfeuer im Zeltlager) und Gebet einen wesentlichen Beitrag für eine rollenunsichere Gesellschaft, die die Entwicklung ihrer tragenden Riten vielfach den überforderten Menschen selbst überlässt und prägende Gemeinschaftserfahrungen nicht selten auf die Unterhaltungskultur etwa beim Public-Viewing mit anschließendem Autokorso bei Fußballweltmeisterschaften beschränkt. In echten gemeinsamen Herausforderungen und krisenhaften Notlagen, bei Katastrophen und großen Unglücksfällen sind dann allerdings in der Regel die Kirchen wieder gefragt. Hier wird deutlich, dass die notwendigen tragenden Riten meines Erachtens sich niemals nur aus einem säkularen Bewusstsein heraus entfalten können.“

Die soziale Dimension, dass Kirche Anwalt der Schwachen und Benachteiligten ist, sei heute „der stärkste Glaubwürdigkeitsfaktor für die Kirche“, sagte Wiesemann. Und weiter:

„Ich sehe eine wichtige Aufgabe darin, die evangelisierenden, aus der Anbetung und dem Lobpreis Gottes lebenden und die sozial und politisch aktiven Kräfte in unserer Jugendarbeit in einen stärkeren Austausch miteinander zu bringen, wie es im Innersten dem entspricht, was Papst Franziskus in ‚Evangelii gaudium’ der Kirche als Zukunftsprogramm gegeben hat. Dabei müssen wir uns noch viel mehr mit allen sozialen und diakonischen Akteuren vernetzen. Auch hier liefern wir einen ganz spezifischen Beitrag für die Gesellschaft: Junge Menschen, die bei uns ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht haben, oder die durch unsere Jugendarbeit, durch die Verbände und Gruppen die Schönheit des und die Erfüllung im sozialen Engagement erfahren haben, sind deutlich eher bereit, sich auch in jenen gesellschaftlichen Bereichen in Dienst nehmen zu lassen, die im sozialen Ranking nicht auf den obersten Plätzen stehen – ohne die wir unsere alternde und sozial auseinander driftende Gesellschaft aber niemals in eine gute Zukunft führen können.“

Wiesemann hielt sein Referat zum Thema „Kirche und Jugend – zwei verschiedene Welten? Überlegungen zur kirchlichen Jugendpastoral“ gemeinsam mit Bianka Mohr. Im Mittelteil präsentierte die Leiterin der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj) aus Düsseldorf, verschiedene Beispiele kirchlicher Jugendarbeit. Allein in Rheinland-Pfalz sind rund 37.000 Kinder und Jugendliche im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und seinen Mitgliederverbänden engagiert; bundesweit sind es 660.000. Neben Großereignissen wie der 72-Stunden-Aktion (im Jahr 2013 mit rund 8.400 Teilnehmern in Rheinland-Pfalz), der Ministrantenwallfahrt 2014 nach Rom (mit 4.500 Messdienern aus Rheinland-Pfalz) oder der jährlichen Sternsinger-Aktion engagieren sich aktuell in Rheinland-Pfalz rund 1.200 junge Erwachsene bei einem Freiwilligendienst in katholischer Trägerschaft, sagte Mohr. Der bundesweite Josefstag, an dem jeweils am 19. März katholische Einrichtungen der Jugendsozialarbeit vorgestellt werden, widmet sich im Jahr 2015 geflüchteten und traumatisierten Jugendlichen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer würdigte in ihrem Grußwort die gute Zusammenarbeit mit der Kirche in Rheinland-Pfalz. Sie bedankte sich besonders für das kirchliche Engagement bei der aktuellen Flüchtlingsproblematik. Dreyer wies darauf hin, dass sich in Rheinland-Pfalz 41 Prozent der Bevölkerung ehrenamtlich engagieren, bei den Jugendlichen sind es 39 Prozent.

„Dabei spielen die kirchlichen Jugendverbände natürlich eine große Rolle.“

Sie verwies darauf, dass sich die Landesregierung auf verschiedenen Wegen darum bemüht, „Kindern und Jugendlichen möglichst frühzeitig den Wert und die Möglichkeiten demokratischer Mitbestimmung zu vermitteln“. Beispiele dafür seien das „jugendforum rlp“ und der landesweite Demokratietag, den es seit 2006 gibt.

Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, dankte in seinem Schlusswort Landesregierung, Landtag und Fraktionen für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Einen besonderen Dank richtete er an Staatsministerin Doris Ahnen „für die gute Wahrnehmung des Amtes der ‚Kirchenministerin’“. Mit Blick auf die anstehende Regierungsumbildung sagte Lehmann: „Ich bin zuversichtlich, dass die gute Zusammenarbeit mit Vera Reiß als Staatsministerin fortgesetzt werden kann.“

200 Gäste aus Politik, Kirche und Verwaltung

Zu der traditionellen Begegnung hatte der Leiter des Katholischen Büros Mainz, Ordinariatsdirektor Dieter Skala, rund 200 Gäste aus Politik, Kirche und Verwaltung im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes begrüßt. Neben Ministerpräsidentin Dreyer waren unter anderen die Staatsminister Doris Ahnen, Irene Alt und Alexander Schweitzer gekommen. Neben Landtagsvizepräsident Heinz-Hermann Schnabel und dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz, Dr. Lars Brocker, waren außerdem gekommen: die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Julia Klöckner, und Daniel Köbler als Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Aus den rheinland-pfälzischen Bistümern waren neben Kardinal Lehmann und Bischof Wiesemann unter anderen der neue Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Woelki, der Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, der Apostolische Administrator des Bistums Limburg, Weihbischof Manfred Grothe, sowie der emeritierte Speyrer Bischof, Dr. Anton Schlembach, gekommen. Musikalisch gestaltet wurde der Abend von einem Ensemble des Großen Orchesters des St.-Franziskus-Gymnasiums und der -Realschule Kaiserslautern unter Leitung von Brigitte Gemmecker-Gropp.