„Was macht Hannes da?“ – Projekt „Babywatching“ an der Schwarzbach Schule der Johannes-Diakonie

Einmal pro Woche kommen Hannes und seine Mutter in den Unterricht Hauptstufenklasse H3 der Schwarzbach Schule.

Hannes war sechs Wochen alt, als er zum ersten Mal in die Hauptstufenklasse H3 der Schwarzbach Schule der Johannes-Diakonie Mosbach kam. Inzwischen ist er ein fester Bestandteil des Unterrichts. Denn Hannes steht im Mittelpunkt des Projekts „Babywatching“, in dem die Schülerinnen und Schüler die Interaktion zwischen dem kleinen Jungen und seiner Mutter beobachten. Einmal pro Woche kommen die beiden für eine Stunde nach Schwarzach.

Wickeln, essen, spielen, all das spielt sich im Zentrum des Stuhlkreises ab, den Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte gebildet haben. In der Mitte: der inzwischen ein Jahr alte Hannes und seine Mutter. Was macht Hannes, was macht seine Mama, was könnte der Grund sein, warum Hannes´ Mama so reagiert? Wie fühlt sich Hannes dabei, wenn seine Mama so reagiert? Im Zentrum stehen die Bedürfnisse von Hannes und die darauf folgenden Reaktionen seiner Mutter.

„Babywatching“ – das Beobachten von Kleinkindern – fußt auf Studien des US-amerikanischen Aggressionsforschers Henri Parens zur Vorbeugung von aggressiven Verhaltensstörungen bei Kindergartenkindern. Aufgrund dessen Erfahrungen wurde ein Präventionsprojekt des Münchener Bindungsforschers Dr. Karl Heinz Brisch an der dortigen Kinder- und Poliklinik entwickelt. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass auf diese Weise die Empathiefähigkeit der Kinder gefördert wird. Sie beginnen, diese Fähigkeit auf alltägliche Situationen mit ihren Mitmenschen zu übertragen, indem sie sich feinfühliger, sozialer sowie weniger ängstlich untereinander verhalten.

Lehrkräfte der Schwarzbach Schule lernten das Projekt kennen und ließen sich in der „Baby-Beobachtung im Kindergarten gegen Aggression und Angst zur Förderung von Sensitivität und Empathie“ – kurz: B.A.S.E. – ausbilden. Um das Wissen in der Praxis zu erproben, suchte die Heilpädagogin Ursula Kunz-Fiebig schließlich eine für dieses Erfahrungslernen offene Mutter mit einem möglichst kleinen Baby – mit Erfolg.

Hannes weint, die Mama nimmt ihn auf den Arm, wiegt ihn, redet mit ihm und probiert aus, was Hannes trösten könnte. „Was denkt ihr, warum weint Hannes?“, versuchen die Lehrerinnen ihren Schülern die Bedürfnisse des Babys nahezubringen. Seit Hannes regelmäßiger Teil des Unterrichts ist, konnten bereits Veränderungen in der Klasse wahrgenommen werden, so Ursula Kunz-Fiebig. „Hannes hilft allein durch seine Anwesenheit jedem einzelnen Schüler, den Fokus von sich selbst auch einmal auf andere Menschen zu verlagern.“ Und auch Hannes’ Mutter zieht ein positives Resümee: „Ich dachte zuerst, ich tue anderen einen Gefallen. Jetzt merke ich, dass ich auch Hannes und mir selbst eine reiche Erfahrung ermöglicht habe.“

Die Vorfreude und Neugierde auf den nächsten Besuch von Hannes ist groß. Und muss die Babywatching-Stunde einmal krankheitsbedingt ausfallen, ist einerseits die Enttäuschung, andererseits die Fürsorge groß. Obwohl dann die Babydecke im Stuhlkreis in dieser Stunde leer bleibt, sind die Gedanken bei den beiden. Was wird die Mama daheim tun, damit es Hannes besser geht? Solche Fragen sind dann Thema der Unterrichtsstunde.

Das Ende der gemeinsamen Zeit ist nun allerdings absehbar. Hannes wird die Schule also wieder verlassen. Entwicklungsbedingt geht er immer mehr auf seine Umgebung und seine Mitmenschen zu. Dadurch kann es in der gemeinsamen Zeit nicht mehr alleine beim Beobachten bleiben. Eine gewisse Trauer ist schon jetzt auf beiden Seiten zu spüren.

Info: Für die Weiterführung des Projekts „Babywatching“ sucht die Schwarzbach Schule interessierte Mütter und Väter. Als Kontakt steht Ursula Kunz-Fiebig unter der E-Mail-Adresse: verbundh3.schwarzbachschule@johannes-diakonie.de zur Verfügung.