Hessischer Innenminister fordert Steuererhöhungen und andere schmerzhafte Eingriffe

Neuer Erlass für die Haushaltsführung der Städte mit Sprengkraft

Haushalte mit Unterdeckung in Gebührenhaushalten werden nicht mehr genehmigt. Bürgermeister Baaß: „An der Finanzmisere der Städte ändert das kein Jota!“. Der neue hessische Innenminister Peter Beuth, CDU will die Städte und Gemeinden notfalls zu Steuererhöhungen zwingen.

In einem neuen Erlass des Ministeriums wird darauf hingewiesen, dass defizitäre Städte rechtlich verpflichtet seien, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um ein Haushaltsdefizit auszugleichen. Dazu gehöre es auch –so war in der FAZ zu lesen- sich bei den Steuerhebesätzen am Niveau der höchsten Werte vergleichbarer Kommunen zu orientieren.

Beuth erhöht damit den Druck auf nahezu alle 400 Städte und Gemeinden in Hessen, jede Möglichkeit zur Einnahmesteigerung zu nutzen. Sein Ziel ist es, dass die Kommunen im Jahr 2016 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. „In besonderen Fällen“, so Beuth gegenüber der FAZ, „kann das auch mal drei oder vier Jahre länger dauern.“ Seine Begründung für dieses Vorgehen: Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse schreibe vor, dass das Land spätestens 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen muss. Und diese Vorgabe gelte für alle öffentlichen Haushalte.

In den jetzt ergänzten „Hinweisen zur Anwendung der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte vom 6. Mai 2010“ wird es dann konkret: Zumutbar sei für defizitäre Kommunen alles, was andere Kommunen in Hessen in vergleichbarer Lage ihren Einwohnern „gewöhnlich bereits abverlangen“. So dienen jetzt die Steuererhöhungen in Städten, die Mittel aus dem „Schutzschirm“ des Landes erhalten haben, als ultimative Aufforderung an alle Gemeinden im Kreis Bergstraße.

Ausgleich der Gebührenhaushalte wird zwingend vorgegeben

Der hessische Innenminister fordert nicht nur höhere Steuern, sondern auch kostendeckende Gebührensätze in den Gebührenhaushalten (Wasser, Abwasser, Abfall und Bestattungswesen). Dort dürfe „grundsätzlich keine Unterdeckung entstehen“. Die Haushalte defizitärer Kommunen mit Unterdeckungen sind nicht genehmigungsfähig. Sie werden deshalb von der Aufsichtsbehörde (demnächst auf Wunsch der neuen hessischen Regierungsfraktionen zentral für alle Städte des Landkreises beim Regierungspräsidium) unverzüglich mit der Aufforderung zurückgegeben, kostendeckende Gebührensätze festzusetzen.

Eine Ausnahme macht die hessische Landesregierung im Bereich Bestattungswesen. Dort, so der Innenminister, sei die Kostendeckung durch Gebühren regelmäßig nur sehr schwer zu erreichen. Eine vertretbare Unterdeckung sei „daher hinnehmbar, wenn die Gemeinde unter Darlegung der örtlichen Verhältnisse und der erwarteten Auswirkungen einer kostendeckend kalkulierten Gebühr auf die Inanspruchnahme der Einrichtung und unter Orientierung an den von anderen Gemeinden des Landkreises erhobenen höchsten Gebührensätzen die höchstmögliche Ausschöpfung dieser Ertragsquelle nachweist“.

Ohne Straßenbeitragssatzung künftig keine Haushaltsgenehmigung mehr

Die Forderungen aus Wiesbaden gehen noch weiter. Danach hat eine Gemeinde, deren Haushaltswirtschaft dauerhaft defizitär ist, ihre Ertragsmöglichkeiten auszuschöpfen, wenn der Haushaltsausgleich durch Reduzierung der Aufwendungen nicht erreicht werden kann. Dazu gehört auch die Erhebung von Straßenbeiträgen.

„Die Kommunalaufsichtsbehörden müssen dann nachdrücklich darauf hinwirken, dass Beitragssatzungen erlassen und vollzogen werden“, gibt Baaß zu bedenken

Seit 1. Januar 2013 können Kommunen statt einmaliger Straßenbeiträge auch wiederkehrende Straßenbeiträge erheben. Der Innenminister stellt hierzu fest: „Die Haushalte defizitärer Städte und Gemeinden, die keine Straßenbeiträge erheben, sind grundsätzlich nicht genehmigungsfähig. Sie werden deshalb unverzüglich mit der Aufforderung zurückgegeben, Straßenbeitragssatzungen zu erlassen und zu vollziehen. Die Stadt Viernheim, die bisher zu den wenigen Gemeinden im Landkreis ohne Straßenbeitragssatzung gehört, bereitet eine solche Satzung derzeit gerade vor.

Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer: Minister fordert Hebesätze deutlich über dem Landesdurchschnitt

Die Leitlinie zur Konsolidierung kommunaler Haushalte gibt den Kommunen vor, die Steuerhebesätze deutlich über dem Landesdurchschnitt in den jeweiligen Gemeindegrößenklassen anzuheben. Hierzu stellt das Innenministerium fest, dass diese Vorgabe nur unzureichend beachtet werde. Es bestehe vielfach Unklarheit bei den Gemeinden und Unsicherheit bei den Aufsichtsbehörden, was konkret unter einer „deutlichen“ Anhebung zu verstehen ist. Die bisherige Praxis, auch bei anhaltend defizitären Kommunen lediglich eine Orientierung der Realsteuerhebesätze am Landesdurchschnitt in der jeweiligen Gemeindegrößenklasse zu verlangen, soll vorerst nicht aufgegeben werden.

Mit der Rechtspflicht, alle zumutbaren Anstrengungen beim Ausschöpfen aller Einnahmequellen zu unternehmen, um ein Defizit so gering wie möglich zu halten, wäre es nach Meinung des Innenministers durchaus zu vereinbaren, eine Orientierung am Niveau der höchsten Hebesätze vergleichbarer Kommunen zu verlangen, zumal die hessischen Hebesätze der Grundsteuer B das niedrigste Niveau aller Bundesländer aufweisen.

Der Erlass stellt klar: Grundsätzlich entscheidet die Kommune in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über die Anhebung der Steuerhebesätze und die Inanspruchnahme von sonstigen Ertragsmöglichkeiten. Schöpft eine Kommune ihre Ertragsmöglichkeiten allerdings nicht in einem vertretbaren Umfang aus, ist die Haushaltsgenehmigung zu versagen.

Ursachen ohne Erwähnung

Ausdrücklich bedauert der Bürgermeister, dass in der Leitlinie die tatsächlich bedeutsamen Ursachen der Finanzsituation der hessischen Städte keine Erwähnung finden, die im bundesweiten Ländervergleich besonders schlecht dastehen.

„Hohe Ausgaben für Gesetze, die Bund und Land verabschiedet haben, aber nicht finanzieren, haben diese Situation verursacht. In einem besonderen Ausmaß kommen stetig steigende Aufwendungen für die Kinderbetreuung noch hinzu. Land und Bund haben das eigentliche Problem der kommunalen Finanzausstattung immer noch nicht erkannt. Jetzt legt man allen Kommunen Daumenschrauben an, die den Bürgerinnen und Bürgern sehr weh tun werden, am eigentlichen Problem allerdings kein Jota ändern.“