Abrechnung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme Innenstadt Viernheim

Gegenwärtig wird in den lokalen Medien die „Einrede der Verjährung“ als probates Mittel zur Lösung der Abrechnung bzw. Ablöse der städtebaulichen Sanierung Innenstadt Viernheim postuliert. Viernheims 1. Stadtrat Jens Bolze nimmt dies zum Anlass, der damit einhergehenden Verunsicherung unter den Betroffenen durch eine erläuternde Darstellung entgegen zu wirken.

1. Stadtrat Jens Bolze: „Die Abrechnungsmodalitäten für eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme sind im Baugesetzbuch (BauGB) bzw. hierzu ergangenen Erlassen und Handlungsdarreichungen der Länder geregelt und damit letztlich bindend für die Stadt Viernheim.

Nach aktueller Rechtslage und bisheriger Rechtsprechung kommt die Stadt Viernheim nicht umhin, den derzeit beschrittenen Weg zur Abwicklung der Sanierungsmaßnahme weiter zu beschreiten.

Es ist grds. nicht ungewöhnlich, dass mit einem Abrechnungsverfahren einige Zeit nach faktischer Beendigung der Sanierung an sich begonnen wird. Diese geläufige Praxis wurde bislang von der Rechtsprechung akzeptiert.
Ausgangspunkt für diese Beurteilung ist die Regelung im BauGB (§ 154), wonach ausdrücklich Bezug genommen wird auf den Abschluss der Sanierung, wobei eine Sanierung dann als abgeschlossen gilt, wenn die Sanierungssatzung aufgehoben worden ist (§ 162).

Eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften dahingehend, dass die faktische Beendigung der Sanierung maßgeblich sein soll für die Abrechnung, geht sowohl nach Auffassung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, als auch des Landes Hessen (als Fördergeber) am Wortlaut des Gesetzes vorbei. Diese Rechtsposition wurde bislang von den Gerichten bestätigt, und zwar auch dann, wenn sich der Fortgang der Sanierung oder deren Abschluss verzögert haben sollte.

Wegen der Komplexität eines Sanierungsverfahrens können erhebliche Schwierigkeiten bestehen, das faktische Ende einer Sanierungsmaßnahme exakt zu bestimmen. Dies, und auch der Umstand, dass eine Kommune womöglich zu einem früheren Zeitpunkt (theoretisch) in der Lage gewesen sei, den Abschluss einer Sanierung durch Satzungsaufhebung festzustellen, stellte für die Gerichte (bislang) keinen Hinderungsgrund dar und begründet damit dem Grunde nach auch keine Verjährung.

Bewegung in diese komplexe, juristische Angelegenheit hat nunmehr in der Tat ein neues Urteil des Oberverwaltungsgerichtes NRW gebracht, wonach unter verfassungsrechtlichen Aspekten eine Ausgleichbeitragsforderung ab dem Zeitpunkt entstehe, ab dem eine Sanierungssatzung – anknüpfend an die faktische Beendigung der Sanierung – hätte aufgehoben worden sein müssen und sich folglich der Beginn der Festsetzungsverjährung an diesem Zeitpunkt orientieren müsse.

Diese Entscheidung steht gegenwärtig beim Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung an; eine Verweisung an das Bundesverfassungsgericht ist nicht auszuschließen.

Mit diesem Urteil“ , so 1. Stadtrat Jens Bolze weiter, „wurde die Entscheidung für die Stadt Viernheim und alle politisch Verantwortlichen im Umgang mit der Abrechnungs-thematik nicht einfacher gemacht.

Nach Abstimmung mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund mussten und müssen  wir davon ausgehen, dass die bisherige Rechtsauffassung weiterhin gilt und eine anderslautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Sinne des OVG NRW wahrscheinlich nicht zu erwarten ist.

Gleichwohl haben wir in Verhandlungen mit dem Land Hessen im Interesse der Betroffenen mit Verweis auf das schwebende Verfahren eine Aussetzung der Abrechnung angestrebt, leider nicht mit dem gewünschten Ergebnis.“

Nach Auffassung des Landes Hessen (als Fördergeber) besteht kein Grund, eingeleitete Verfahren zur Erhebung auszusetzen oder überhaupt von der Einleitung entsprechender Verfahren Abstand zu nehmen – selbst wenn dies nur für einen vorübergehenden Zeitraum sein sollte.

Als geförderte Kommune kommen wir um diese Rechtsposition und -auslegung nicht umhin“, so  1. Stadtrat Bolze weiter „ aber wir haben – abgestimmt mit dem Land Hessen –  die Möglichkeit einer Entscheidungsalternative für die Betroffenen geschaffen. 

Mit der offerierten Ablösevariante (anstelle eines Abrechnungsbescheides) bieten sich jedem Betroffenen Möglichkeiten z.Bsp in  Form von attraktiven Rabattierungen, einer schnellen Bereinigung des Grundbuches, vorzeitiger Rechtssicherheit und damit einer (diesbezüglich) lastenfreier Verwendbarkeit des Grundstückes.

Das städtische Beratungsangebot zur Ablösevariante wird sehr gut angenommen; Dutzende von Terminanfragen sind bisher eingegangen. Es haben bereits einige Beratungsgespräche stattgefunden und mehrere Ablösevereinbarungen sind bereits unterzeichnet. Aber: Niemand wird gezwungen, eine Ablösevereinbarung zu treffen

Natürlich“, führt Stadtrat Bolze weiter aus, „muss jeder Betroffene seinen eigenen Weg finden, abhängig von den individuellen Rahmenbedingungen. Die Stadt berät in alle Richtungen.

Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn in Anbetracht der momentan unklaren Rechtslage der eine oder andere lieber auf das zeitlich und inhaltlich ungewisse Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes warten möchte, v.a. im Hinblick auf die sich daraus evtl. ergebende Verjährungsmöglichkeit.

Diese Entscheidung kann fruchten, aber eben auch nicht.

Entweder Ablösevereinbarung – und das Thema ist mit einigen Vorteilen durch oder die Entscheidung in Richtung Abrechnungsbescheid mit Warten und Hoffen auf das Urteil – mit allen Chancen und Unwägbarkeiten.

Klar ist, wer sich für die Ablösevereinbarung entscheidet, um Rechtssicherheit zu erlangen, kann keine Verjährung einreden.

Die Option einer Verjährungsreinrede besteht nur im Falle eines förmlichen Abrechnungsbescheides.

Keine leichte Entscheidung“, räumt Stadtrat Bolze ein, “und ich beneide wirklich niemanden dazu. Aber, wir tun stadtseitig alles, um den Betroffenen durch Bereitstellung und Berechnung von Alternativen die Entscheidung zu erleichtern.

Mein Rat an alle Betroffenen lautet:

Lassen Sie sich juristisch und steuerrechtlich beraten und nutzen Sie das Beratungsangebot der Stadt. 
Treffen Sie Ihre Entscheidung mit Bedacht, berücksichtigen Sie Ihre individuellen Rahmenbedingungen und vertrauen Sie nicht ungeprüft oder unreflektiert einzelnen Meinungskundgebungen.
Unterhalten Sie sich mit anderen Betroffenen und wägen Sie Vor- und Nachteile beider Varianten (Ablösevereinbarung oder Abrechnungsbescheid) für sich selbst ab.“