Europaminister Jörg-Uwe Hahn appelliert an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin: „Finanzierungsausstieg beim Deutschen Polen-Institut ist völlig falsches Signal“

Der stellvertretende Hessische Ministerpräsident und Minister der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn, wird von Donnerstag bis Samstag die hessische Partnerregion Wielkopolska besuchen. Minister Hahn wird begleitet vom Vorsitzenden des Europaausschusses des Hessischen Landtages Aloys Lenz und den Landtagsabgeordneten Tobias Utter, Dr. Michael Reuter und Dr. Matthias Büger.

Ein Thema der Gespräche des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg-Uwe Hahn wird der Ausstieg des Nachbarlandes Rheinland-Pfalz aus der gemeinsamen Finanzierung des „Deutschen Polen-Instituts“ in Darmstadt sein. Die Mainzer Landesregierung hat die jährliche Grundförderung von 219 000 Euro gestrichen und will für das über Jahrzehnte gemeinsam mit Hessen und der Stadt Darmstadt getragene Institut nichts mehr beisteuern. Hahn: „Es ist nicht nur das Geld, das von 2014 an fehlen wird. Der Ausstieg eines Bundeslandes aus einem Völker verbindenden Projekt ist das falsche Signal. Die Mainzer Landesregierung nimmt keine Rücksicht auf polnische Befindlichkeiten.“

Angesichts der deutsch-polnischen Vergangenheit sei das „sehr traurig“, so Europaminister Jörg-Uwe Hahn: „Wir können doch das Interesse an polnischer Geschichte und Kultur nicht einfach über Bord kippen.“ Hahn verweist auf Bundespräsident Joachim Gauck, der zuletzt Anfang Oktober das Deutsche Polen-Institut als „eine der bedeutendsten Einrichtungen für polnische Geschichte, Kultur und Politik“ gewürdigt habe. Dagegen sei die Streichung von jährlich 219 000 Euro durch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer „geradezu kleinkariert und geschichtsvergessen“. Minister Hahn will versuchen, die polnischen Gemüter zu beruhigen: „Ich hoffe nach wie vor auf eine einvernehmliche Lösung.“

Auf der Hinreise wird Justizminister Jörg-Uwe Hahn in Warschau Justizunterstaatssekretär Węgrzyn treffen.

Von Warschau reist die Hessische Delegation in die Partnerregion Hessens,  die Woiwodschaft Wielkopolska. In der Hauptstadt Poznan (ehemals Posen) stehen Gespräche mit Marschall Marek Wożniak, dem Präsidenten der Woiwodschaft Wielkopolska, sowie weiteren Vertretern der Regionalverwaltung und des Sejmik (Regionalparlament).

„Regionalpartnerschaften leisten einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von Regionen sowie zur Vertiefung der europäischen Integration“, so Europaminister Hahn. „Gerade die Zusammenarbeit mit Wielkopolska, die ihren Anfang 1979, noch zu Zeiten des Kalten Krieges durch die Kooperation der Handwerkskammern Kassel und Wielkopolska nahm, ist erfolgreich für beide Seiten.“ Europaminister Hahn verweist darauf, dass man mit der Wielkopolska, der französischen Aquitaine und der italienischen Provinz Emilia Romagna gemeinsam die Interessen in Brüssel vertrete. Hessen habe seine Landesvertretung bewusst als Mehrregionenhaus gestaltet. Das gemeinsame Haus sei Anlaufstelle in Brüssel für Kommunen, Gewerkschaften, Verbände, Kirchen, Unternehmen und Abgeordnete aus allen vier Regionen. Der Leitsatz laute: „Gemeinsamkeit macht stark.“

Am Freitag wird der stellvertretende Ministerpräsident eine Gedenkstätte in einem Vorort von Poznan besuchen: Das „Museum der Märtyrer“ in Żabikowo, das an die Opfer des dortigen Zwangsarbeiterlagers (1941-1943) und die Häftlinge des Polizeigefängnisses und Arbeitserziehungslagers (1943-1945) erinnert.

„Es ist mir ein wichtiges Anliegen, das Museum Żabikowo zu besuchen“, so Justizminister Jörg-Uwe Hahn, „und dort den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken – an einem Ort, wo sie ihrer Würde beraubt, gedemütigt, gequält und ermordet wurden. Diese Erinnerung ist schmerzhaft – aber notwendig. Sich an diese Vergangenheit zu erinnern, mahnt uns auch immer, in der Gegenwart wachsam zu bleiben.“

In dem 1943 errichteten Gestapo-Lager wurden festgenommene Personen verhört; in vielen Fällen folgte von dort die Verlegung in die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Groß-Rosen, Mauthausen, Sachsenhausen und Ravensbrück. Insgesamt gab es 28 Transporte aus Żabikowo in die vorgenannten Vernichtungslager. Auch im Lager selbst wurden Einzel- und Massenexekutionen vorgenommen. Bis zum 19.01.1945 wurden 21.624 Personen in das Häftlingsregister aufgenommen.

Bevor das Straf- und Untersuchungslager der Gestapo dort geschaffen wurde, gab es in der Region zwei Arbeitslager für den Bau der Autobahn Frankfurt/Oder-Posen. In den Lagern wurden  jeweils rund 300 Personen in Holzbaracken zusammengepfercht. Häftlinge, die nach Auflösung dieser Arbeitslager 1943 noch am Leben waren, wurden in andere Konzentrationslager gebracht, Kranke und Arbeitsunfähige in das Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof).

In der ehemaligen Lagerbaracke des Lagers Żabikowo befindet sich heute eine Dauerausstellung zur Geschichte des Lagers und im Verbindungsbau die Dauerausstellung „Reichsautobahnlager. Jüdische Zwangsarbeiter 1941-1943“. In der ehemaligen Kommandantenvilla werden wechselnde Ausstellungen gezeigt.

Hintergrund: Die Regionalpartnerschaft Hessen-Wielkopolska

Das Land Hessen und die Woiwodschaft Wielkopolska hatten am 07.12.2000 in Poznan die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit unterzeichnet. Seither hat sich die Partnerschaft zu einer regen Kooperation entwickelt. So kooperiert die Hessische Fachhochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) in Kassel seit 2005 mit der Hochschule für Ökonomie in Piła. Das Hessische Landeskriminalamt arbeitet seit Jahren mit der Woiwodschaftskommandantur Wielkopolska und der Stadtkommandantur Posen zusammen.

Es gibt sieben kommunale Partnerschaften, neun Hochschul- und dreizehn Schulpartnerschaften. Auch unterhält das Land Hessen in Poznan das Kooperationsbüro Hessen – Polen, das Unternehmen aus Hessen und Wielkopolska als Ansprechpartner für Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung steht, Fachveranstaltungen und Programme für Wirtschaftsdelegationen organisiert. Eine Expertendelegation besuchte im Sommer 2013  Hessen, um sich vor Ort über Maßnahmen im Bereich der Abfallwirtschaft und Erneuerbare Energien zu informieren. Im November 2013 folgt eine Delegation des Umweltausschusses des Sejmik (Regionalparlament).

Wielkopolska ist wie Hessen Partner im Internationalen Jugendnetzwerk ERY und entsendet seit 2007 jugendliche Jazzmusiker zur European Jazz School, die jährlich mit Jugendlichen aus den Partnerregion Aquitaine, Emilia-Romagna, Wielkopolska und seit 2012 Bursa, im Rahmen des Hessentages stattfindet.